Rezension

eine Familie im Wandel der Zeit

Leonore und ihre Töchter - Gina Mayer

Leonore und ihre Töchter
von Gina Mayer

Bewertet mit 5 Sternen

Gina Mayer zu lesen bedeutet , einzutauchen in eine vergangene Welt,hier in die Welt des 19. Jahrhundert. Es ist eine Zeit der gesellschaftlichen Umbrüche, die durch die Industrialisierung und die politischen Ereignisse geprägt war. Spannend , informativ und mit viel Empathie erzählt die Autorin eine Familiengeschichte über mehrere Generationen, anhand derer der Leser diese Zeit hautnah miterleben kann.

Beginnen tut diese Geschichte im Paris des Jahres 1900.Es sind noch 14 Jahre bis zum Beginn des 1.Weltkrieg, aber die Zeichen der Zeit stehen auf Sturm. Die Weltausstellung in Paris ist ein großes Ereignis, auf dem die neusten Errungenschaften der Wissenschaft vorgeführt werden. Doras Mann, Gustave, ist der Organisator dieser 5.Weltausstellung und Dora ist stolz auf ihn und ihre Tochter Nanette. Doch für Dora soll diese Zeit auch eine Zeit der Veränderungen werden, denn ihr Mann gesteht ihr, dass er in Doras Freundin Odile verliebt ist und zu ihr ziehen will. Als dann auch noch ihre Eltern aus Düsseldorf anreisen, weiß Dora nicht, wie sie ihre veränderten Lebensumstande ihren Eltern erklären soll.Doch Mathilde, ihre Mutter, zu der sie immer ein sehr distanziertes Verhältnis hatte, ist dann diejenige , die ihrer Enkelin Nanette von einem wohl gehüteten Familiengeheimnis und einem Fluch erzählt, der weit in die Vergangenheit zurückreicht und das Leben der Frauen dieser Familie bestimmt hat.

Die Zeit, in der Gina Mayer ihre Geschichte erzählt, ist eine Zeit der Umbrüche und der Revolutionen, geprägt durch die gesellschaftliche Stände, die mehr als starr und ungerecht waren. Die Geburt eines Menschen entschied über sein
Leben. Wurde man in einer unteren Gesellschaftsschicht geboren, gehörte man den Menschen an, die unter menschenunwürdigen Verhältnissen lebten und arbeiteten. Überwiegend Frauen und Kinder arbeiteten 10 bis 12 Stunden in den Textilfabriken der damaligen Zeit und halfen den Profit ihres Dienstherrn zu mehren, ohne selbst eine Besserung ihrer Lebensverhältnisse zu erreichen. Verletzungen und Krankheiten waren an der Tageordnung, die durch die Lebensumstände bedingt waren. Kein Wunder, dass das Manifest von Karl Marx die Gemüter der einfachen Menschen erhitzte. Suffragetten versuchten Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts die Stellung der Frau zu verändern und für eine Gleichstellung einzutreten. All diese Themen vereint Gina Mayer zusammen mit einer mehr als spannenden Familiengeschichte. Die Geschichte reicht mehr als 50 Jahre zurück und erzählt von den Schicksalen der Frauen und einer Dreiecksbeziehung, die das Schicksal der Familie bestimmte.
Es sind starke Frauen, die hier agieren, Frauen die ihr Leben selbst in die Hand nehmen, oft aus der Not heraus und Frauen die ihre gesellschaftliche Stellung überdenken und etwas verändern wollen.

Es ist eine Stärke der Autorin, Historie mit einer spannenden Geschichte zu vereinen und dies ist ihr auch mit diesem Buch gut gelungen. Die Familiengeschichte steht im Vordergrund, ist flüssig und unterhaltsam zu lesen und punktet mit gut gezeichneten Charakteren, mit denen man sich schnell verbunden fühlt. Die damalige Zeit erschien vor meinen Augen, die schmutzigen Wohnviertel der einfachen Leute, genauso wie die hochherrschaftlichen Häuser der Oberschicht. Manchmal hätte ich mir noch ein wenig mehr Ausführungen der geschichtlichen Verhältnisse gewünscht , vielleicht hätte es aber auch einige Leser abgeschreckt und so denke ich, dass die Mischung von Historie und Unterhaltung hier gut gelungen ist.
Es hat mir wieder viel Spaß gemacht mit Gina Mayer in die Geschichte einzutauchen und kann dieses Buch nur wärmstens empfehlen.