Rezension

Eine Geschichte über Zerbrechlichkeit und Hoffnung

Secret Sins - Stärker als das Schicksal - Geneva Lee

Secret Sins - Stärker als das Schicksal
von Geneva Lee

Inhalt:

Judes erster Besuch einer Selbsthilfegruppe, die sich regelmäßig im örtlichen Kirchenkeller zum Austausch trifft, beginnt mit einem unerfreulichen Zusammentreffen. Faith hat geträumt und ihm prompt ihren Kaffee über das Shirt gegossen. Die Junge Frau ist sehr misstrauisch. Sie ahnt, dass Kerle wie Jude nur Ärger bedeuten. Einen Mann kann sie in ihrem Leben nicht gebrauchen. Sie hat einen tauben Sohn und weiß ganz genau, wie zerbrechlich das Leben ist. Judes Auftreten zeugt für sie davon, dass er nicht neu bei dieser Art von Treffen ist. Er sagt die richtigen Sachen und nickt in den richtigen Augenblicken mitfühlend. Doch verleugnen kann Faith das gute Aussehen des Neuen nicht. Außerdem taucht er immer wieder in ihrer Nähe auf. Er sorgt sich und müht sich um sie, obwohl sie ihm nicht nur einmal die kalte Schulter zeigt. Faith aufgestellte Regeln: Kein körperlicher Kontakt, kein Blickkontakt und stets Distanz wahren, werden auf eine harte Probe gestellt.
 

Schreibstil:

In "Secret Sins – Stärker als das Schicksal" geht es um Menschen, die mit diversen Arten von Süchten zu kämpfen haben. Dieses Buch zeigt die Machtlosigkeit von Angehörigen auf und wirft einen Blick auf die Opfer selbst. In dieser Geschichte geht es um Zerbrechlichkeit und Hoffnung. Ein kleiner Fehltritt, so begreift man, kann dazu führen, dass die Sucht einen wieder gefangen nimmt. Ein Herauskommen ist, wenn überhaupt, nur mit einem eigenen Willen und der Hilfe von Angehörigen/Freunden möglich.
Jude und Faith begegnen sich das erste Mal bei einem Selbsthilfetreffen für Süchtige. Faith, so ahnt der Leser bald, hat mit einer Vergangenheit und einem Problem zu kämpfen, welches sie gerade so in den Griff bekommen hat. Eine Stütze bietet ihr ihre beste Freundin Amie. Faith und ihr tauber Sohn Max dürfen bei ihr wohnen. Auch hat Amie dafür gesorgt, dass Faith bei ihr einen Job gefunden hat. Mit der lockeren Art sorgt Amie dafür, dass die Schwere, die auf den Schultern ihrer Freundin lastet, erträglicher wird. Sie schenkt dem Sohn ein Eis außer der Reihe, welches ansonsten finanziell nicht machbar wäre. Sie besorgt der Freundin einen Dildo, weil sie entgegen der Meinung von Faith der Meinung ist, dass da mehr im Bett laufen sollte. Auch ist Amie entzückt, als sie erfährt, dass es da nun diesen gutaussehenden tätowierten Mann in der Selbsthilfegruppe gibt, für den Faith mehr empfindet, als sie sich selbst gegenüber eingestehen will.
Jude hingegen ist vom ersten Moment an charmant. Er sagt stets das Richtige und müht sich um Faith. Es ist fast schon unheimlich, wie perfekt er wirkt. Die Haustür und das Auto sind kaputt? Auch hier steht Jude sofort parat und bietet seine Hilfe an. Faith meint zurecht, dass zu seinen Bad Boy-Look eigentlich nur noch ein Motorrad fehlen würde. Und das hat er neben einem Jeep und einem auf den Klippen gelegenen Häuschen auch. Außerdem zeichnet er gerne verträumte Motive und singt Lieder für eine Plattenfirma. Als Jude Max das erste Mal begegnet, widmet er sofort seine volle Aufmerksamkeit dem kleinen Jungen und gewinnt damit nicht nur Faiths, sondern auch Max Herz.
Kein Wunder also, dass Faith dem Charme von Jude nicht widerstehen kann. Es kommt zu prickelnden erotischen Momenten, die Faith eigentlich unbedingt vermeiden wollte. Es kommt zu schönen Essen und gemeinsamen Abenden. Beide müssen nicht über ihre Vergangenheit sprechen, sie wissen, dass es ein Geheimnis gibt und sie wissen, dass man die Vergangenheit manchmal besser ruhen lassen sollte. Doch leider lässt sich das, was geschehen ist, nicht verdrängen. Früher oder später holt einen die Geschichte wieder ein.
Der Leser begleitet Faith, ihren Sohn Max und auch die etwas verrückte und liebenswürdige Freundin sowie Jude in der Gegenwart. Allerdings wirft er auch immer einen kleinen Blick in die Zeit, als Faith noch eine Jugendliche war. Nach und nach kommt er hinter ihre Geschichte. Gerade diese Stellen sorgen für Spannung. Man möchte wissen, was Faith zu der Frau gemacht hat, die sie heute ist und warum sie solche Angst hat, sich auf andere Menschen einzulassen. Nebenher ahnt man, dass es im hinteren Teil des Buches noch zu einem Desaster kommen wird.
Hier wird der Leser nicht enttäuscht. Bei mir lösten diese Enthüllungen so starke Empfindungen aus, dass ich Distanz zu der Protagonistin aufbaute und Angst hatte sie nicht mehr mögen zu können. Doch die Autorin hat auch an dieser Stelle noch einmal – für mich – Geschick bewiesen. Ganz langsam lässt sie die Charaktere mit den Geschehnissen zu Recht kommen. Sie überstürzt nichts und diese Zeit ist es, die auch letztlich mich, als Leserin, wieder versöhnlich gestimmt hat.
 

Fazit:

"Secret Sins – Stärker als das Schicksal" greift ein schweres Thema auf. Hier haben alle auf die eine oder andere Weise mit Süchten und Abhängigkeiten zu kämpfen. Nicht nur der Blickwinkel von Opfern und Angehörigen wird beleuchtet. Anschließend folgt die Rekonstruktion der Fakten aus der Perspektive der Süchtigen.
In diesem Werk finden die Menschen Hoffnung durch Solidarität und Liebe.
Neben einer wundervollen Liebesgeschichte, ein wenig Erotik, Freundschaft und einer Mutter Kind-Beziehung, die über allem steht, sorgen gut geschliffene Charaktere und eine sehr ernste und zugleich bewegende Hintergrundgeschichte für eine sehr lesenswerte Geschichte.
Von mir gibt’s hier eine absolute Fünf-Sterne-Empfehlung.

Buchzitate:

Manchmal reicht ein einziger Augenblick, um das ganze Leben zu verändern. Und die Veränderung kommt so brutal und unerwartet, dass sie dir die Luft aus der Lunge presst.

„Ich könnte dich seit Jahren kennen, und du würdest doch nie all die Augenblicke kennen, die mich zu der Frau gemacht haben, die ich heute bin. Die mich zu der machen, die ich morgen sein werde, oder in fünf Jahren. Niemand kann je einen anderen Menschen wirklich kennen.“