Rezension

Eine starke Frau

Sie konnten mich nicht töten - Soraya Alekozei

Sie konnten mich nicht töten
von Soraya Alekozei

Bewertet mit 5 Sternen

„Habe ich die Schreie meiner Kameraden gehört? Gesehen, wie sie vor mir in Stücke gerissen wurden? Konnte ich spüren, wie ein dreißig Zentimeter langes Kantholz in meinen Kopf eindringt, wie unzählige Splitter meine Haut durchbohren und meine Hände Feuer fangen?“ Bei einem Anschlag in Taloqan wird die Bundeswehr-Soldatin Soraya Alekozei so schwer verletzt, dass sie zunächst als tot gilt. Dabei war die 1979 aus Afghanistan Geflohene gekommen, um ihr Heimatland zu befrieden. Nicht mit Waffen, sondern mit Worten: Sie dolmetscht für die Generäle, kümmert sich um Waisenkinder. Bis zu jenem Schicksalstag im Mai 2011. Der bewegende Bericht einer ungewöhnlichen Kriegsveteranin, der uns Afghanistan und die menschlichen Dimensionen des Bundeswehreinsatzes neu sehen lässt

Soraya wächst in Afghanistan auf. Kabul, ihre Heimatstadt, erinnert zu der damaligen Zeit stark an unsere westliche Kultur. Junge Frauen und Mädchen durften sich mit kurzen Röcken bekleiden, schminken, die Schule besuchen, sich einfach frei und geborgen fühlen.
Kabul hatte wunderschöne Gärten und Parks. Ein Land zum Wohlfühlen, das auch oft von Touristen besucht wurde. Gerade wegen der Sanftheit und Ruhe, die dieses Land damals ausstrahlte.
Sorayas zukünftiger Mann studiert in Deutschland. Dies war damals gerne gesehen und durchaus üblich. Sie folgt ihrem Mann nach Deutschland. Doch schon bald wird das Heimweh so groß, das sie mit ihrem ersten Sohn zurück nach Kabul fährt, während ihr Mann weiter in Deutschland bleibt. Sie beginnt eine Arbeit als Nachrichtensprecherin, bis die Sowjetunion Afghanistan besetzt. Sie flieht wieder nach Deutschland zu ihrem Mann. Für lange Jahre ist an eine Rückkehr nicht zu denken, obwohl sie ihre Familie schmerzlich vermisst.
Nachdem die Sowjetunion endlich abgezogen ist, entsendet die Nato Soldaten um beim Wiederaufbau zu helfen. Auch deutsche Soldaten begeben sich nach Afghanistan.
Soraya, die schon als Nachrichtensprecherin arbeitete und die afghanische als auch die deutsche Sprache beherrscht, tritt der Bundeswehr bei und fährt als Dolmetscherin in ihre Heimat zurück.
Zuerst ist alles gut und die afghanische Bevölkerung freut sich über die Unterstützung. Soraya wird „Die Stimme der Freiheit“.
Doch dann kommen die Taliban. Die Einschläge kommen näher und das Grauen erhält eine neue Dimension. Bei ihrem letzten Einsatz wird Soraya lebensgefährlich getroffen.

Was soll ich über diese bewegende Biografie sagen?
Mir fehlen die Worte. Ich bin traurig, wütend, entsetzt. 
Soraya beschreibt sämtliche Abläufe aus ihrer Sicht und das so beeindruckend und nachhaltig, das man in jeder Zeile ihre große Liebe zu Afghanistan und auch Deutschland spürt.
Hin- und hergerissen zwischen ihrem Schuldgefühl gegenüber ihrem Heimatvolk, das sie verlassen hat und in Wohlstand weiterleben durfte, während ihre Familie und ihr Volk das Schlimmste erleben mussten. Ihre Familie wurde teilweise gefoltert. Dazu ihre Dankbarkeit gegenüber Deutschland, die sie und ihre Familie liebevoll aufnahmen.
Sie versucht den Spagat und geht in „Fleckentarn“ zurück in ihre Heimat die nie mehr so sein wird, wie sie einmal war.
Sie fragt nicht lange, sondern handelt. Oft auf dem kurzen bürokratischen Weg. Ihr größter Wunsch ein Waisenhaus das zuvor abgebrannt war, aufzubauen konnte sie erreichen.
Den Frauen im Gefängnis hat sie mit einfachsten Mitteln ein etwas würdevolleres Dasein ermöglicht. Spendenaktionen ins Leben gerufen und…und…und
Diese Frau, die nur 1,55 m groß ist, lässt sich nicht unterkriegen. Mit jeder Zeile hat sie mich berührt und mich daran erinnert, was wahre menschliche Größe und praktizierte Nächstenliebe ist.
Ein Buch, das dramatisch und doch voller Hoffnung ist.
Für mich ein Buch, das jeder gelesen haben sollte um in das Herz einer Soldatengruppe zu schauen, das sich hinter dem „Fleckentarn“ verbirgt. Aber auch sieht, dass nicht ein ganzes Land in den Krieg zieht und wie die Bevölkerung darunter leidet.
Ich wünsche Soraya von Herzen alles, alles Gute und vielleicht wird Kabul einmal wieder so, wie zu ihrer Kindheit, damit Wali und sie einen geruhsamen Lebensabend in ihrem Haus, welches sie noch nie betreten hat, verbringen können.