Rezension

Erfrischend anders

Der Tag, an dem ich fliegen lernte - Stefanie Kremser

Der Tag, an dem ich fliegen lernte
von Stefanie Kremser

Bewertet mit 5 Sternen

Dies ist Luisas Geschichte: sie erzählt uns ihr Leben vom Tag ihrer Geburt an, als ihre Mutter Aza sie aus dem Fenster des 5. Stockes ihres Krankenhauszimmers warf und ohne Spur verschwand. Luisa hatte Glück, denn der Engländer Fergus, ein guter Rugbyspieler, ging zufällig unter dem Fenster entlang und fing sie auf. Kurze Zeit später zog Fergus zu Luisa, ihrem Vater Paul und seinen Mitbewohnern Max und Irene in die Münchener WG und gehörte von da an mit zur Familie. Luisa hat nie das Gefühl, dass in ihrem Leben etwas fehlt, bis sie in die Schule kommt und merkt, dass alle anderen Kinder eine Mutter haben. Etwa zu dieser Zeit bricht auch die WG auseinander und Paul und Luisa fahren nach Brasilien, um Aza zu suchen und um sie endlich zu verstehen…

Die Geschichte wird zwar aus Luisas Sicht erzählt, aber natürlich mit Gedanken, die kein Kind hat, sondern die sie gehabt hätte, wenn sie als Kind schon so hätte denken können. Doch das stört überhaupt nicht, man nimmt es der Autorin ab, dass das Kind Luisa erzählt. Der Stil ist am Anfang gewöhnungsbedürftig, da die Sätze oft lang und voll mit verschiedenen Gedanken sind – eben so, wie man denkt. Andererseits schreibt die Autorin einen so wundervollen Stil, dass es immer wieder Sätze gab, die ich mehrmals lesen musste, weil sie so schön und poetisch waren oder weil sie Gedanken so toll auf den Punkt gebracht haben. Stefanie Kremser IST eine begnadete Autorin.

Sehr gut gefallen hat mir auch die Atmosphäre des Buches. Man spürt in jeder Zeile die Liebe und Geborgenheit, von der Luisa als Kind umgeben ist. Vor allem wie Paul sich um sie kümmert und alles tut, damit sie ohne Mutter gut aufwächst, obwohl er noch Student ist und auf diese Situation gar nicht vorbereitet war, ist einfach rührend.

Der Mittelteil, in dem die Geschichte der Auswanderung von Deutschland nach Brasilien von Azas Familie erzählt wird, ist etwas langatmig und hat für mich nicht so richtig zum Buch und zur Atmosphäre gepasst, aber das tut meiner Begeisterung für diesen großartigen Roman keinen Abbruch. Es ist definitiv ein Buch für Leser, für die nicht nur Inhalt und Spannung zählen, sondern die sich auch an schönen Sätzen und Formulierungen erfreuen können und es zu schätzen wissen, wenn die Atmosphäre der Handlung eines Buches sich so gut auf den Leser überträgt.