Rezension

Extrem bewegend

Ich warte auf dich, jeden Tag - Clarissa Linden

Ich warte auf dich, jeden Tag
von Clarissa Linden

Die Geschichte um Erin und ihren Großvater bzw. um Alexander und Lily, wird in zwei unterschiedlichen Handlungssträngen erzählt, die gegen Ende zusammenlaufen: Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts weiß Erin nicht, wie sie ihr Leben bewältigen soll, nachdem ihr Mann sie verlassen hat. Sie ergreift die Chance und macht sich auf, Lily zu finden.

 

Ich bin kein Freund von Erzählungen in der Ich-Form oder im Präsens. Bei Erins Handlungsstrang vereint sich beides, was mich anfangs gestört hat - aber Clarissa Linden hat mich so mit in die Handlung gezogen, dass ich später einfach darüber hinweg sehen konnte.

 

Sehr gut gefallen hat mir die Metamorphose, die Erin im Verlauf der Handlung durchmacht und die Idee ihrer Freundin Charlotte, Erins Leben, ihre Einstellung und Erlebnisse mit Buchzitaten zu kommentieren und zu erwarten, dass Erin zum einen herausfindet, um welches Buch es sich handelt und dieses zum anderen innerhalb einer Woche liest. So beginnt jedes Kapitel dieses Handlungsstrangs mit einem Buchzitat, was mir als Bookaholic natürlich ausnehmend gut gefallen hat.

 

Anfang der 30er Jahre begegnen sich Lily und Alexander an der Universität, zwei Welten treffen aufeinander: Lily, das Mädchen aus der Arbeiterschicht, bei der die politische Arbeit für die SPD fest in der Familie verwurzelt ist und Alexander, der Sohn aus besserem Hause, der in Künstlerkreisen verkehrt und mit Politik gar nichts anfangen kann. Doch wie das Leben so spielt, verlieben sie sich ineinander, gegen alle Widerstände und gegen Lilys eigene Unsicherheiten. Dann muss Alexanders Familie vor den Nazis fliehen und Lily muss sich einer Entscheidung stellen.

 

Weder der Klappentext, noch meine Beschreibung können diesem Buches gerecht werden! Gefühl und Atmosphäre lassen sich nur schwer in Worte fassen und genau die sind es, die "Ich warte auf dich, jeden Tag" so aussergewöhnlich machen.

 

Clarissa Linden lässt das geschriebene Wort so lebendig werden, dass man nicht nur in der Handlung bzw. den Handlungen versinkt, die Gefühle und Erlebnisse der Protagonisten gehen dem Leser direkt unter die Haut, sodass er tatsächlich ebenfalls "fühlt". Mitunter sprach soviel Schmerz aus den Zeilen, dass ich mit dem Lesen innehalten musste oder soviel Liebe, dass einem selbst die Tränen in den Augen standen.

 

Bücher, die mich derart bewegt haben, kann ich auch nach Jahrzehnten aktiven Lesens an einer Hand abzählen - und die ist dann noch immer nicht voll, aber "Ich warte auf dich, jeden Tag" hat sich zu diesem illustren Kreis gesellt und wir mir sicher immer in Erinnerung bleiben.

 

Ein wundervoller Roman mit viel Gefühl, gutem wie schlechtem, aber ebensoviel Humor, für Liebhaber von "P. S. Ich liebe dich" von Cecelia Ahern und "Solang am Himmel Sterne stehen" von Kristin Harmel.