Rezension

Historisches Fantasy-Liebesdrama mit innovativer Handlung

Augen in der Finsternis - Andreas Herteux

Augen in der Finsternis
von Andreas Herteux

Bewertet mit 5 Sternen

Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts. Getrennt voneinander blicken die junge Adelige Elena von Rathau und Gottfried von Heldern, der Sohn eines reichen Emporkömmlings, verzweifelt auf ihr Leben zurück – und auf ihre Liebe. Eine Liebe, durchgesetzt in schwersten Schlachten. Gegen die Konventionen. Gegen die ganze Welt. Hat wahre Liebe keinen Bestand? Muss sie scheitern? Lohnt es sich nicht, für sie zu kämpfen? Mit allen Mitteln? Ein wahres Drama der Liebe. Am Schicksal gescheitert, wahrscheinlich. Oder doch an teuflischen Mächten?

Handlung:Das Buch beginnt mysteriös. Gottfried ist tot. Elena ist verzweifelt und sucht irgendwelche Dinge, um einen Grund haben weiterzuleben. Dafür hangelt sie sich durch ihre Geschichte und die mit Gottfried. Gottfried scheint aber nicht so ganz tot zu sein, denn bereits in Kapitel 2 erzählt er sein Leben aus seiner Perspektive. Dass irgendetwas mit ihm nicht stimmen kann, ist aber auch klar. Dass sie sich irgendwann über den Weg laufen, ist auch verständlich und damit erfolgt eine Bewährungsprobe nach der anderen, denn zum einen ist da eine adelige Familie, die eine Liason mit einem Aufsteiger nicht dultet und dann ist da noch ein dunkler Raum, in dem die Zeit (!!!!) nicht vergeht! Ein Element, mit dem ich nie gerechntet hätte. Aufgelöst wird erst zum Schluss

Fazit: Sehr innovative Handlung, die ich so noch nirgends gelesen habe

 

Erzählperspektive:
Die Geschichte wird abwechselnd (Kapitel) aus der Sicht von Elena und Gottfried erzählt. Das halte ich für einen cleveren Schachzug des Autors, denn so können einzelne Episoden von zwei Seiten beleuchtet werden. Außerdem gibt das vielen Episoden Pepp und Tiefe. Zwei Beispiele:
* Bei ihrem ersten echten "Date" ist Elena hypernervös und sie zwingt ihren Körper zu einer Art Schockstarre. Gottfried deutet das als Ablehnung. * Elena hasst ihre Tante und beschreibt sie als Monster. Gottfried sieht eine noch-schöne Frau und einen ähnlichen Charakter zu Elena.

Fazit: Die Erzählperspektive sorgt für Tiefe, aber auch witzige und traurige Momente

Charaktere:

Die Hauptcharaktere Elena, eine blutjunge Adelige, und Gottfried, Sohn eines sozialen Aufsteigers/Großkapitalisten, machen eine große Entwicklung durch: 
Es scheint erst so, als wäre Elena eine weinerliche Adelige und damit ein reines Opfer irgendwelcher Umstände. Die Handlung zeigt, dass Elena eine enorm willensstarke Frau ist, die auch vor übelsten Intrigen zurückschreckt, um ihre Ziele zu erreichen. Trotzdem bleibt sie sympathisch und man leidet ähnlich mit ihr, wie mit Scarlett aus "Vom Winde verweht", die auch auch nicht der Inbegriff der Tugend ist.
Ähnlich läuft es mit Gottfried, der als arroganter Neureichensohn eingeführt wird, aber immer mehr an Kontur und Schärfe gewinnt. Will er Ziele erreich, so ist er nicht weniger skrupellos. Seine Entwicklung von Außen nach Innen (ich will hier nicht spoilern, Stichwort: Dunkler Raum) ist grandios.
Neben den Protagonisten, gibt es mehrere Nebendarsteller, die alle bei der Einführung eindimensional wirken, aber mit der Zeit eine Tiefe entwickeln, die der Leser den Figuren nicht zugetraut hätte.

Fazit: Selten so tief- und glaubwürdig ausgearbeitete Charaktere gesehen. Gilt auch für die wichtigsten Nebenfiguren

Genre:

Eigentlich ist es ein Liebesdrama (mit Betonung auf Drama), dass in einen historischen Kontext eingebettet wurde. Der schwarze Raum, in dem die Zeit nicht vergeht, haut aber eine große Portion Fantasy mit drauf

Sprache und Stil:

Andreas Herteux lässt die Hauptprotagonisten abwechselnd zu Wort kommen. Beide haben einen individuellen Stil. Das bemerkenswerte daran ist, dass sich der Stil der Handlung anpasst. Am Anfang finden wir kurze Sätze, die genau die Situation wiedergibt, in der sich Elena befindet. Gottfried dagegen benutzt andere Verben und ist zu Beginn überheblicher.Das ist realistisch, aber natürlich nicht jedermanns Geschmack.
Hinzu kommt, dass der Autor im Zweifelsfall sich lieber sprachlich an der damaligen Zeit orientiert, als an der heutigen.
Andreas Herteux kümmert sich lieber um die innerlichen Konflikte seiner Figuren. 10-seitige Abhandlungen über die Farben des Holzbodens, die klassischen Seitenfüller, wird der Leser nicht finden. Alles dient seinem Zweck.

Fazit: Trägt unglaublich zum Eintauchen bei, könnte aber auch manche Leser abschrecken, überhaupt einzutauchen

Meinung:
Eines der besten Bücher 2016. Sollte man eine Chance geben.

Wer sollte zugreifen? Wer sollte die Finger weglassen?
Zugreifen sollte jeder, der gute Geschichten mag, sich dafür auch Zeit nehmen will und sich wirklich einfühlen will. Der bekommt ein tolles Buch mit einer wirklich innovativen Erzählung.
Die Finger weglassen sollten alle, die das nicht wollen und eher etwas für Zwischendurch oder etwas fröhliches mit einem super-tollen Happy-End suchen.