Rezension

In den Sylter Wanderdünen ertrunken?

Düsteres Watt -

Düsteres Watt
von Sabine Weiss

Bewertet mit 5 Sternen

Nur durch Zufall wird in den Wanderdünen bei List eine Leiche entdeckt, denn da diese Sandmassen ständig in Bewegung sind, wäre der Tote wohl sehr bald nicht mehr zu sehen gewesen, je nach Windstärke. Kommissarin Liv Lammers befindet sich im Urlaub auf Sylt, das auch gleichzeitig ihre Heimat ist, und wird sofort von dem Fall angezogen. Der Tote entstammt dem alten schleswig-holsteinischen Adel und lebte mit seiner Familie in einer prunkvollen Villa. Dort scheint die heile Welt plötzlich zerstört und die Trauer groß, bis man einen Blick hinter die Kulissen werfen kann und düstere Abgründe entdeckt, wobei häusliche Gewalt eine große Rolle spielt. Dazu kommt noch, dass der ermordete Karl von Raboisen offensichtlich ertrunken ist, bevor er in den Dünen abgelegt wurde. Es gibt eine Vielzahl von Verdächtigen, die Polizei hat alle Hände voll zu tun und ermittelt in alle Richtungen.
Auch der Leser wird schnell zum Miträtseln animiert, was mir persönlich immer sehr gut gefällt. Auf diese Weise wird das Buch sehr schnell zu einem regelrechten Pageturner, man möchte immer weiterlesen. Im Laufe der Ermittlungen finden sich laufend neue Spuren und Verwicklungen, und es gibt überraschende, aber schlüssige Wendungen, die zum Umdenken zwingen. Dies alles wird unterstützt vom Spannungsbogen, der direkt nach dem Prolog ansetzt und bis auf eine Unterbrechung, in der die Protagonisten bekannt gemacht werden, bis zum Ende anhält, ja eigentlich sogar noch darüber hinaus, denn das Buch endet mit einem Cliffhanger, der bereits Lust auf den nächsten Band macht. Und auch der Prolog ist bereits interessant, denn hier werden wir mit einem exzentrischen Mörder bekannt gemacht.
Liv Lammers ist eine sympathische Ermittlerin, die auch bei ihren Kollegen beliebt ist. Sie ist alleinerziehende Mutter einer Tochter im Teenageralter. Da sie privat Traumatisches erlebt hat, ist sie misstrauisch gegenüber intensiven menschlichen Beziehungen. Ihre Gefühle werden in diesem Buch auf eine harte Probe gestellt, denn ihr neuer Freund trifft auf Sylt seine Ex und den gemeinsamen Sohn.  Da ist Eifersucht vorprogrammiert. Die Autorin lässt Privates in den Krimi einfließen, aber nicht übermäßig, was mir persönlich sehr gut gefällt, denn der Fall sollte in einem Thriller im Vordergrund stehen und nicht eine Liebesbeziehung.
Die einzelnen Charaktere werden authentisch gezeichnet, sie erscheinen glaubwürdig und nicht konstruiert, wozu vor allem der Einblick in die Adelskreise gehört, die durch mehr Schein als Sein glänzen. Was sich nicht alles hinter einer solch heilen Fassade verbirgt!
Auch Hintergrundinformationen über Sylt fließen wieder ein, und ich werde sicherlich bei unserem nächsten Urlaub dort einen intensiven Blick auf die Lister Dünenlandschaft werfen.
Mir hat der 6. Lammers-Fall sehr gut gefallen, er vereint alles, was ein guter Krimi haben sollte. Das Geschehen ist gut durchdacht, in sich schlüssig und authentisch. Fast alle Fragen werden beantwortet und somit ist die Vorfreude auf den nächsten Liv Lammers-Fall bereits gegeben. Auf jeden Fall hat das Buch 5 Sterne verdient, die ich gern gebe.