Rezension

Krimi-Klassiker, aber aktueller denn je

Zu viele Köche - Rex Stout

Zu viele Köche
von Rex Stout

Bewertet mit 5 Sternen

Der Krimi-Klassiker „Zu viele Köche“ (1938) von Rex Stout (1886-1975), im November in neuer Übersetzung erschienen, ist bereits der zweite einer seit März 2017 vom Verlag Klett-Cotta mit „Es klingelte an der Tür“ (1965) begonnenen, unregelmäßigen Reihe von Neuausgaben des amerikanischen Schriftstellers, der mit seiner Romanreihe um den schwergewichtigen Privatermittler und eigenwilligen Orchideen-Liebhaber Nero Wolfe weltberühmt wurde. Im April folgt „Der rote Stier“, ebenfalls aus 1938. „Zu viele Köche“ ist der fünfte von Stouts insgesamt 33 Nero-Wolfe-Romanen, hinzu kommen noch einige Erzählungen, und ein wahrer literarischer Leckerbissen. In der gewohnt flapsig-humorvollen Erzählweise von Wolfes Assistenten Archie Goodwin, die an sich schon das lesen lohnt, sind wir Leser zu Gast bei einem Treffen der zwölf weltbesten Köche, zu dem Nero Wolfe als Ehrengast geladen ist. Nur diese besondere Einladung veranlasst den berühmten Privatdetektiv, erstmals seine Penthouse-Wohnung in Manhattan zu verlassen, in deren Dachgarten er seine Orchideen züchtet. Normalerweise bewegt sich Wolfe keinen Meter aus der Wohnung, sondern lässt seine Klienten und alle an einem Fall Beteiligten zu sich kommen. Allein der zu erwartende Gaumenschmaus lockt ihn diesmal auf die weite Reise in den Bundesstaat West Virginia. Doch statt sich ein paar Tage in dem Spa-Resort erholen und die Gaumenfreuden ausgiebig genießen zu können, muss Wolfe wieder einmal seine „grauen Zellen“ arbeiten lassen – diesmal von seiner Suite aus. Denn einer der Starköche wird während einer Soßen-Verkostung ermordet. Mindestens drei der weltberühmten und eitlen Köche, die im ständigen Konkurrenzkampf stehen und dem Opfer öffentlich den Tod gewünscht haben, kommen als Täter infrage, einer von ihnen wird schon bald festgenommen. Dass dann doch ein anderer als der Mörder entlarvt wird, haben wir allein dem Spürsinn Nero Wolfes zu verdanken. Was vordergründig wie ein amüsanter Krimi ähnlich denen Agatha Christies mit ihrem Superhirn Hercule Poirot erscheint, ist bei Rex Stout eine gut verpackte Auseinandersetzung mit der seinerzeitigen US-Gesellschaft und Staatspolitik, wobei in „Zu viele Köche“ der damals noch extremere Rassismus und die vom Autor geforderte staatsbürgerliche Gleichberechtigung von Schwarzen und Weißen das Kernthema sind. Damit wagt sich der politisch liberal eingestellte Schriftsteller, der zeitlebens für die Wahrung individueller Freiheitsrechte eintrat und seine Hauptfigur Nero Wolfe in den Romanen als Sprachrohr nutzt, im Veröffentlichungsjahr 1938 weit vor, werden doch Schwarze damals in weiten Kreisen der weißen US-Bevölkerung noch als „Nigger“ beschimpft. Stout dreht dieses Bild um und stellt dem ungebildeten, schielenden weißen Sheriff einen an einer Washingtoner Universität studierenden jungen Schwarzen gegenüber. Lesenswert ist hierzu das Nachwort von Literaturkritiker Tobias Gohlis (67). Alles in allem verdient der Verlag Klett-Cotta ein Kompliment, die Neuausgabe dieser Krimi-Klassiker in heutiger Zeit zu wagen – in einer Zeit, wo in modernen Thrillern kaum Geist und Witz, nur Blut und Psychotraumata gefragt sind. Die Nero-Wolfe-Krimis von Rex Stout scheinen deshalb aus der Zeit gefallen, sind tatsächlich aber gesellschafts- und staatspolitisch aktuell, bei aktuell zunehmendem Rassismus und Nationalismus vielleicht aktueller denn je. In jedem Fall aber sind diese Krimis literarische Leckerbissen und schon deshalb absolut empfehlenswert.