Rezension

Läuterung eines Egomanen und andere Überraschungen

Die Täuschung -

Die Täuschung
von Astrid Korten

Bewertet mit 5 Sternen

Sehr spannender Psychothriller im Magiermilieu, bei dem nichts ist, wie es scheint und der am Ende mit einer dicken Überraschung aufwartet.

Der Mittvierziger – so recht bestimmen kann man sein Alter nicht, denn die Angaben im Buch differieren – Victor Adams, als Illusionist und nicht etwa nur Zauberkünstler, worauf er Wert legt, ein ums andere Mal zu betonen, berühmt und gefeiert, ist unzweifelhaft ein empathieloser Egomane, ein Soziopath, wie ihm von den wenigen Menschen, mit denen er Umgang pflegt bescheinigt wird. Herzlos und geradezu krankhaft den ultimativen Erfolg suchend gleitet er durch sein Leben, von einer Illusion zur nächsten, dieser seiner Sucht alles unterordnend. Bereits als Junge hatte er nur ein Ziel vor Augen, nämlich der Welt berühmtester, bester Illusionist zu werden. Er brauchte, so meinte er, sofern er jemals darüber nachdachte, keine Freunde, seine Familie, die ihn nach anfänglicher Skepsis stets unterstützte auf seinem Weg zum Ruhm, behandelte er grob und gleichgültig, andere vor den Kopf zu stoßen bereitet ihm nicht die geringsten Gewissensbisse. Er maß die Menschen, die das Pech hatten, seinen Weg zu kreuzen, allein an ihrer Nützlichkeit, und hatten sie ihren Zweck erfüllt, ließ er sie fallen. Ganz einfach so, ohne weiter darüber nachzudenken. Ein unsympathischer Zeitgenosse, jemand, den die Welt ebenso wenig braucht, wie er sie, wenn es nicht darum geht, ihm zuzujubeln und zu Füßen zu liegen? Ganz gewiss!

Doch dann geschieht etwas, eigentlich eine bloße Kleinigkeit, eine Nebensächlichkeit, die der Fassade, hinter der er sich verschanzt hatte und derer er sich nicht einmal bewusst war, Risse versetzt und eine Lawine ins Rollen bringt, die nicht mehr aufzuhalten ist und Victors bisheriges Leben in Frage, ja völlig auf den Kopf stellt. Der große Magier Victor Horus, so sein Künstlername, bekommt es mit der Angst zu tun, er sieht Dinge, die nicht da sind, hat unerklärliche Albträume, die sich wiederholen und die er nicht deuten kann. Er spürt, dass Erinnerungen ans Licht wollen, Erinnerungen, die er tief in seinem Inneren vergraben hat, die er festhalten aber gleichzeitig auch verscheuchen möchte, denn Wahrheiten ins Auge zu blicken ist sein Ding nicht! Dafür ist er sehr gut darin, den Kopf in den Sand zu stecken, denn der mutigste ist er nicht.

Als seine langjährige Assistentin Julia während einer seiner scheinbar perfekten Illusionen mitten in einer Vorstellung zwar wie geplant verschwindet, aber dann nicht mehr auftaucht, verliert er mehr und mehr die Kontrolle über sein bisheriges Leben. Besessen von dem Drang zu wissen, wie Julia ihn, den Perfektionisten, dessen Tricks minutiös und bis auf die Sekunde genau geplant sind, getäuscht, ausgetrickst, überlistet hat, geht er auf die Suche nach ihr, die er eigentlich, herz- und gewissenlos, wie er ist, schon seit einer ganzen Weile hatte entsorgen wollen, weil sie, genau wie er selber übrigens, nicht mehr taufrisch war und ihm daher, so meinte er, nichts mehr nützen könnte. Ja, da kann einem schon der Atem stocken! Womit er allerdings nicht gerechnet hatte war, dass die Suche nach seiner verschwundenen Assistentin zu einer Suche nach sich selbst werden würde, nach dem Victor, der er hätte sein können und vielleicht immer noch war, ganz tief unter dem Panzer aus Zynismus und Gefühllosigkeit. Und mit welcher so haarsträubender wie überraschender Erkenntnis er dabei konfrontiert werden wird, soll natürlich nicht vorweggenommen werden! Es lohnt sich unbedingt, es selber herauszufinden.

„Die Täuschung“ ist wahrlich der perfekte Titel für den Roman oder treffender, für den Psychothriller aus der Feder der Autorin Astrid Korten. Gekonnt spielt er mit dem Leser, der ihrer Inszenierung neugierig folgt, immer wieder auf die Folter gespannt, wie Victor, der große Magier höchstselbst, von einer Falle in die nächste tappt, einer Illusion nach der anderen zum Opfer fällt, ohne überhaupt zu merken, dass es sich dabei um eine Falle, respektive eine Illusion handelt. Den Leser im Dunkeln tappen lassen, ganz lange, bis kurz vor dem Ende, ihn regelrecht an der Nase herumzuführen – das kann die Autorin meisterhaft, dabei ihrem unsympathischen Protagonisten, den sie jedoch dankenswerterweise eine Wandlung, einer Läuterung gleich, durchmachen lässt, der während seiner Show dem verzückten Publikum genauso meisterhaft etwas vorgaukelt, was aufgrund gewisser felsenfester physikalischer Gesetze schlichtweg unmöglich ist, in nichts nachstehend. Dazu schafft sie es auch noch, eine ganz und gar unheimliche Atmosphäre über ihrer mehr als rätselhaften, undurchsichtigen Geschichte schweben zu lassen, die, je tiefer der Protagonist in die düsteren Sümpfe seiner eigenen Vergangenheit hineingezogen wird, fast greifbar wird, ja die den Leser sogar mit hineinzieht in einen Strudel von Geschehnissen, die alle einem Ziel dienen – der gänzlich unerwarteten Erkenntnis, dass man, gemeinsam mit dem ehrgeizigen Horus, der doch eigentlich in Punkto Illusionen keine Konkurrenz zu scheuen hat, einer Täuschung vom allerfeinsten aufgesessen ist. Großartig, kann ich da nur sagen! Und nicht einmal die doch recht zahlreichen Unstimmigkeiten in Bezug auf zeitliche Angaben, sowie syntaktische Ungenauigkeiten vermögen den sehr positiven Gesamteindruck zu schmälern!

Abschließend kann ich nur sagen, dass es mich zutiefst erfreut und befriedigt, mit diesem Psychothriller eine Autorin kennengelernt zu haben, die ihr Handwerk versteht, die, wenn ich von dem hier zu besprechenden Werk ausgehe, ohne Gewaltszenen auskommt und die Spannung auf eine Weise erzeugt und durchgehend hält, gar noch ins kaum Erträgliche steigert, dass einem ein kalter Schauer nach dem anderen über den Rücken läuft. Was kann man sich mehr wünschen von einem wirklich guten psychologischen Spannungsroman!