Rezension

Märchenhafte Geschichte über das Glück

Die erstaunliche Wirkung von Glück - Susann Rehlein

Die erstaunliche Wirkung von Glück
von Susann Rehlein

Bewertet mit 4 Sternen

Susanne Rehlein erzählt in diesem hübschen Buch eine herzerwärmende, traurige, liebevolle, manchmal skurrile und märchenhafte Geschichte über das Glück, gespickt mit schrulligen Figuren und ebensolchen Aussagen. 

Die 24jährige Dorle lebt in einem hochherrschaftlichen Berliner Haus im Souterrain in der Concierge-Wohnung auf 15 Quadratmetern, steckt in Heimarbeit Kristalle für funkelnde Kronleuchter zusammen und erledigt für die übrigen wohlhabenden und recht skurrilen Hausbewohner unentgeltlich Aufgaben. 
Als ehemaliges Heimkind ist sie eine graue Maus mit großen Berührungsängsten, die von der Umgebung nicht wahrgenommen wird, zu der man nicht bitte und danke sagt und die einen pingelig genau geplanten Tagesablauf lebt. Ihr gesellschaftlicher Kontakt außer dem Grüßen der Hausbewohner und dem täglichen Metbrötchen in der Fleischerei besteht aus 10 Minuten wöchentlichem Treffen mit Joe in ihrer Wohnung, dem Lieferanten der Kristalle für die Heimarbeit, der durch seine Zappeligkeit und Plappereien wie ein Wirbelwind ihre Mini-Wohnung und ihre Gedanken durcheinanderbringt. 
Märchenhaft wie bei Aschenbrödel tritt eine gute Fee in Form der exzentrischen Hausbewohnerin Frau Sonne auf, die Dorle bittet, für drei Monate gegen sehr gute Bezahlung ihre Wohnung zu hüten, solange sie im Urlaub ist, und für sie Aufgaben zu erledigen, die per Fax täglich geschickt werden. 
Daß es sich dabei um Dinge wie Klangschalentherapie für Pflanzen, Italienisch Essen Gehen mit 80jährigen Callboys und Hefezopfbacken handelt und dass Dorle den Platz und den Luxus der Wohnung allmählich immer mehr genießt, gehört genauso zum Plan von Frau Sonne wie die Bedingung, von keinem anderen Bewohner Aufträge anzunehmen und sich nicht in die winzige Souterrain-Wohnung zurückzuziehen. 

Graue Maus trifft auf rosa Zuckerwatte lässt sich der Wandel von Introvertiertheit, Dulden und Schweigen zu Genussfähigkeit, Gefühlsausbrüchen, Freude und Lachen, den Dorle im Laufe der Geschichte mit vielen Steinen und Steinchen gespickt durchlebt, beschreiben. Man möchte diese eckige kleine Frau am Anfang schütteln und rütteln, dass sie aufwacht und sich vom oberflächlichen Plätschern ihres Lebens wegreißen lässt. 

Anfangs ziemlich zaghaft, später mutiger und fordernder stellt sich Dorle den Aufgaben, der schrulligen Hausgemeinschaft und ihrem Leben. Dabei erfährt sie Schönes und Trauriges, Glück eben. 
Ich verstehe das Buch nicht als Anleitung zum Glücklichsein, sondern als schönes Märchen vom Glück. Zwar spielen bei Dorles Person psychologische Ansätze eine Rolle, bei denen man sich als Leser Gedanken macht, woher ihre depressiven Stimmungen, Berührungsängste, der Reinigungszwang und das Dulden herrühren, doch ich denke, dass das Buch nicht in dem Sinne aufrütteln und anregen will, dass eigentlich nur der eigene Wille und Antrieb zählt. 
Man begleitet Dorle einfach ein Stück ihres Weges, lernt in ihrem Umfeld viele schräge und exzentrische Menschen kennen ( von denen die meisten das Rentenalter erreicht haben ), bekommt nebenbei zwei zauberhafte und unglaublich schöne Liebesgeschichten erzählt, wobei eine viel Zuversicht auf das Altern vermittelt, und kichert die ganze Zeit über die Verdrehtheit und Verrücktheit von Dorles Gedanken und ihrer ganz eigenen Logik. 

Die Sprache, in der Susanne Rehlein schreibt, hat ihren ganz eigenen Rhythmus und Stil und passt für mich perfekt zu Dorle in ihrer kleinen Welt. Das habe ich am Buch besonders genossen, weil es für mich ein sehr ungewöhnlicher und witziger Schreibstil ist, der mich sehr oft zum Kichern brachte. 

"Wer sich mit Arztseife wäscht, muss nicht zum Arzt." Natürlich ist das Quatsch. Anderseits war sie tatsächlich kaum je krank, höchstens mal an der Seele oder dem Geist..." 

Oder Äußerungen, die Dorle anderen entlockt: 

"Ich bin 87 , aber das Wort sexy hat im Zusammenhang mit mir noch nie jemand gebraucht." 

Fazit:
Wer sich auf eine leicht verrückte, märchenhafte und in meinen Augen nicht ganz so tiefgründige Geschichte einlassen möchte, dem sei dieses Buch empfohlen.