Rezension

Stylisch ja, aber gut?

The Girls
von Emma Cline

Bewertet mit 2.5 Sternen

Je länger ich über dieses Buch nachdenke, desto mehr Punkte möchte ich abziehen! Da es sich um ein Debüt handelt, kann man den Roman durchaus als gelungene Fingerübung/Etüde betrachten. Kann man eine Thematik durchstrukturiert bis zum Ende halten? Das kann die Autorin. Vielleicht auch mehr. Aber Talent reicht nicht, man muss auch etwas zu sagen haben.

Emma Clines Debüt handelt von einem 14jährigen Teenager, Evie, der, von den Eltern vernachlässigt, sich in eine sektiererhafte Clique hineinziehen läßt. Emma Cline beschreibt anschaulich die Befindlichkeiten eines Teenagers, der mit sich selber nichts anfangen kann und auf etwas hofft, irgendwas. Das Ganze spielt in den 70ern in Kalifornien.

Diese Art von Geschichte und Tragik ist leider überhaupt nicht mehr neu oder auch nur besonders. Besonders wäre vielleicht gewesen, die generelle Verführbarkeit von jungen Menschen zu thematisieren. Das passiert aber nicht, obwohl Evie sicherlich als Platzhalter gesehen werden kann. Denn es gibt keinen theoretischen Überbau oder einen zweiten Erzählstrang aus einer anderen Perspektive, was den Roman ganz sicher gerettet hätte.

Scheinbar erzählt die 14jährige Evie, doch es ist völlig klar, dass eigentlich die Autorin spricht. Obwohl Evie eventuell die Erzählende der Rückblende sein könnte, nimmt man auch der erwachsenen Evie den gewählten Sprachstil nicht ab. Die Sprachbilder, die die Autorin zeigt, sind innovativ, keine Frage, treten aber zu gehäuft auf, um dem Leser ungetrübte Freude zu bereiten.

Ganz willkürlich herausgegriffen einige Beispiele:
• „die Luft mit Stille gezuckert,
• hatte Im Gesicht etwas mittelalterlich Versunkenes,
• meine Heimatstadt wirkte wie von meiner Gegenwart freigeschrubbt,
• bis sich die Enttäuschungen zu einem Trauergesang der Mittelmäßigkeit reihten,
• wie unpersönlich und habgierig unsere Liebe war, wie sie das Universum absuchte und auf einen Wirt hoffte, der unseren Wünschen Form geben würde.“

In „The Girls“ verdeckt der Stil die Tatsache, dass die Autorin bei Licht betrachtet, nichts zu sagen hat. Auf den Stil sind sicherlich viele Leser und Leserinnen abgefahren oder hereingefallen, je nach dem, wie man es sehen möchte.

Die Handelnden sind samt und sonders schwach charakterisiert, ja austauschbar. Der eigentliche Protagonist ist der Sog, dem Evie verfällt und den die Autorin einzufangen versucht. Das reicht mir leider nicht. Das Stylische verbirgt eine im Grunde schwache Geschichte.

Fazit: Eine literarische Blendung, der ich nicht viel abgewinnen kann.

Kategorie: Gute Unterhaltung
Verlag: Hanser, 2016

Kommentare

Naibenak kommentierte am 19. August 2016 um 09:11

Wow, echt spannend. Gerade erst hat ein geschätzter Rezensent ganz anders bewertet ;) Aber dieses Buch scheint offenbar stark zu polarisieren. Danke für deine sehr tolle und informative Rezi! Ich werde nochmal drüber schlafen, bevor ich die Entscheidung treffe, ob ich es lesen will ;)

katzenminze kommentierte am 20. August 2016 um 20:09

Hehe, mir hat auch die Häufung ungetrübte Freude bereitet. Aber du hast recht: Zu sagen hat Cline eigentlich nix. Hat mich allerdings auch nicht gestört. ^.^