Rezension

Teilweise zu weitschweifig, aber nette Idee

Die Morde von Pye Hall - Anthony Horowitz

Die Morde von Pye Hall
von Anthony Horowitz

Bewertet mit 3.5 Sternen

„Die Morde von Pye Hall“ ist ein Buch nach alter britischer Detektivart. Für solche Geschichten bin ich immer zu haben und hier bekommt man sogar zwei Krimis in einem. Zunächst gibt es da die Rahmenhandlung: Lektorin Susan Ryeland liest das neueste Manuskript des Bestsellerautors Alan Conway. Dessen Hauptfigur ist Atticus Pünd, ein scharfsinniger Detektiv im Stile Hercule Poirots, der zwei rätselhafte Todesfälle in einem englischen Dorf untersucht. Dummerweise fehlt das letzte Kapitel, in dem Pünd den Fall für den Leser auflöst. Also macht sich Susan auf die Suche nach den fehlenden Seiten. Conway selbst kann sie nicht mehr danach fragen, denn der hat zwischenzeitlich Selbstmord begangen. Aber hat er das wirklich? Während ihrer Recherchen stößt Susan auf einige seltsame Parallelen zwischen Conways Leben und seinem letzten Krimi. Susan beginnt – genau wie Romanheld Pünd – zu ermitteln.

Ein Krimi im Krimi... schöne Idee, die größtenteils gelungen umgesetzt ist. Wenn man von den Längen in der zweiten Hälfte mal absieht. Die Handlung splittet sich zu einem Drittel (ca. 200 Seiten) in den Fall um Atticus Pünd, zu zwei Drittel (400 Seiten) in die Rahmenhandlung, die sich irgendwann merklich zieht. Das hat einmal damit zu tun, dass Lektorin Susan als Protagonistin ziemlich farblos bleibt – auch wenn Horowitz eine kleine, leidenschaftslose Liebesgeschichte einbaut, um Susan Profil zu geben, auf die er meiner Meinung nach aber gut und gerne hätte verzichten können.

Zum anderen hat mir der Atticus-Fall auch einfach besser gefallen. Er ist eine hübsche Hommage an die Glanzzeit des britischen Kriminalromans ist. Nicht nervenzerrend spannend, aber er liest sich altmodisch-charmant und es macht Spaß die Verdächtigen kennenzulernen und mitzurätseln. Die Unterbrechung kurz vor Ende ist recht gemein, weil dem Leser die Wahrheit Millimeter vor der Nase weggerissen wird.

Und dann wiederholt Horowitz eben haargenau das Muster des ersten Teils, heißt: er stellt nach und nach das Clübchen der Verdächtigen vor bis nahezu jeder Bekannte Conways als Mörder in Frage kommt. Die Geschichte läuft schnurgerade vor sich hin. Das ist dann wie bei einer langen Fahrt auf der Autobahn: irgendwann kommt einem alles etwas eintönig vor.

Horowitz Detailliebe artet zudem stellenweise etwas aus. Offensichtlich hatte er Freude daran, die eigene Branche auf die Schippe zu nehmen. Das legt schon der Umstand nahe, dass der Erfinder des sympathischen Ermittlers Atticus Pünd in Wahrheit ein echter Kotzbrocken ist. Einige, längere Auszüge aus Manuskripten und Romanentwürfen, die er im Weiteren einbaut und die als Gag auf die schriftstellerische Passion ganz witzig sind, nagen allerdings an der Handlungsdichte. Gegen Ende hatte ich Probleme, bei der Sache zu bleiben.

Die Auflösungen haben mir aber beide gut gefallen, wobei mich der Blick auf die Autorenseite von Wikipedia fast noch mehr verblüfft hat: Horowitz hat nämlich nicht nur versteckte Bezüge zwischen seinen zwei Krimis eingebaut, sondern auch echte, biographische Details. Warum er kein Nachwort verfasst hat, weiß der Henker. Ohne weitere Erklärungen, bleibt bei mir das vage Gefühl, einen Witz nicht ganz verstanden zu haben. Oder möchte Horowitz, dass ich selbst beginne zu „ermitteln“? Vermutlich gäbe es jede Menge zu entdecken. Und damit schließt sich der Kreis zwischen Autor, Buch und Leser. Oder eben auch nicht. Die Geschichte ist auch ohne weitere Recherchen rund.

Fazit: Unterhaltsame Hommage an den alten, britischen Detektivroman, die durch die Längen mit der Zeit … tja, einfach etwas zu lang erscheint.