Rezension

Unbedingt zuerst "Sommer der Wahrheit" lesen

Straße nach Nirgendwo - Nele Löwenberg

Straße nach Nirgendwo
von Nele Löwenberg

Bewertet mit 2.5 Sternen

Sheridan Grant kennt nun ihre Wurzeln, doch damit hat sie nur sich einen Gefallen getan. Die Familie Grant wird durch einen Amoklauf erschüttert, Sheridan verdächtigt, und so scheint ihr einziger Ausweg zu sein, zu fliehen und das vermeintlich Böse mitzunehmen.

Straße nach Nirgendwo - Sheridan und ihre Fehlgriffe bei Männern, so könnte der Untertitel der Geschichte lauten. Da ich den ersten Teil - Sommer der Wahrheit - leider noch nicht gelesen, mich direkt nach dessen Erscheinen auf den zweiten Band gestürzt habe, fehlt mir Sheridans Jugend und ihr Weg zur Entdeckung ihrer Mutter Carolyn sowie deren Geschichte. Auch "die schlimmen Dinge", die Sheridan immer wieder anspricht, können so nur erahnt werden. Zwar ist von Misshandlung durch die Tante Rachel, Gewalt seitens des jüngeren Bruders Esra, Vergewaltigung, Ehebruch und Abtreibung die Rede und einige Personen werden im zweiten Band auch weitergesponnen, jedoch hätte ich ein noch klareres Bild von Sheridans Seelenleben, ihren Ängsten und Motiven so zu handeln wie sie es tut, haben wollen.

So bleibt mir lediglich zu sagen, dass nach dem Wissen um die Affäre mit dem Pfarrer Horatio, den Annäherungsversuchen an den zum Freund gewordenen Nikolas Walker, der Hilfe durch Polizist Jordan Blystone, den wohlmeinenden Worten des Schulpsychologen Dr. McAvoy, fast klar war, dass die Affäre mit dem "Geschäftsmann" Ethan Dubois schon allein durch das Gespräch, durch das sie eingeleitet wird, nicht das sein kann, was Sheridan sich darunter vorstellt oder was sie sich wünscht. Ist sie nach all dem was sie erlebt hat, tatsächlich doch noch so naiv? Oder so traumatisiert, dass sie gewisse Dinge erst deuten kann, wenn sie mti der Nase darauf gestoßen wird? Ist dies das Produkt der Geschehnisse, denen sie bisher in ihrem Leben ausgesetzt war? Denn auch die so romantisch beginnende Beziehung samt Heiratsantrag zum wohlhabenden Arzt Dr. Paul Sutton kann nicht gesund sein. Dies ahnt man nicht erst, seit die Indianerin Mary-Jane bemerkt, dass Sheridan noch lange nicht am Ende ihres Weges ist, noch viel lernen muss und auf die Hilfe ihrer Freunde angewiesen sein wird. Man möchte das Mädchen schütteln, sie bitten aufzuwachen.

Interessant dagegen die parallel verlaufende Geschichte des Detective Jordan Blystone, der ein ähnliches Schicksal wie auch Sheridan hat. Allerdings kommt er erst mit Mitte dreißig darauf, dass auch seine Familie ein dunkles Geheimnis bewahrt und ihn belogen hat. Plötzlich erkennt er Verhaltensmuster an der toten Mutter, dem versterbenden Vater, an seinen dominanten Schwestern. Die geflohene Tante und ihr Ehemann können Jordan aufklären, und schließlich findet er, nach einigen schrägen Beziehungen zu psychisch kranken Frauen, welche Art von Partnerschaft ihn wirklich erfüllt. Auf gewisse Weise hat der Fall um Sheridan Grant ihn nach Hause geführt.

Beruhigend, dass die intrigante Tante Rachel ihrem Schicksal zugeführt wird. Wenn auch auf sehr amerikanische Weise. So bleibt das Buch dem Genre "amerikanische Familiensaga" treu.

Das Cover, das eine Sommerwiese zeigt, ist fast eine Spur zu fröhlich. Auch wenn das Gebäude im Hintergrund bedrohlich wirkt, Vögel aufgescheucht wurden, ein Gewitter droht oder Partikel von der Getreideernte in der Luft schweben.