Rezension

Wunderbare Geschichte mit wunderbarer Sprache

Alles, was wir geben mussten - Kazuo Ishiguro

Alles, was wir geben mussten
von Kazuo Ishiguro

Bewertet mit 5 Sternen

Kathy, Ruth und Tommy scheinen ganz normale Internatsschüler zu sein. Sie leben in Hailsham, das idyllisch im ländlichen England gelegen, mit seinen grünen Wiesen, dem Sportplatz, gemütlichen Schlafsälen, rumpeligen Klassenzimmern und dem großem Fokus auf Kunstunterricht die Kindheit und Jugend unserer Hauptfiguren entscheidend prägt. Doch irgendetwas passt nicht in das heile Internatsbild. Irgendetwas, das nebulös in der Zukunft der Kinder liegt, und sie von anderen zu unterscheiden scheint.

Ishiguro hat eine wunderbare Sprache und er lässt Kathy ihre Geschichte sehr gekonnt erzählen. Ihre Beschreibungen von Hailsham, ihrer Jugend und ihren Freundschaften ist absolut anschaulich gelungen. Ihr Ton bleibt nachdenklich und reflektiert auch wenn sie allen Grund zu Wut und Resignation hätte. Die Figuren sind komplex und vollkommen lebendig – auch wenn es nicht immer Sympathieträger sind. Aber nur Sympathieträger machen ja nun auch keinen Spaß.

Ebenfalls gelungen ist der dystopische Touch der Romans. Ich bin mir noch nichtmal sicher, ob „Dystopie“ das richtige Wort ist, da der Roman nicht in der Zukunft spielt, sondern in den 80ern oder 90ern angesiedelt ist und man zudem lange gar nicht merkt, was Ishiguros fiktionale Welt nun eigentlich von unserer unterscheidet. Das von Kathy beschriebene Gefühl der Kinder etwas zu wissen und doch nicht zu wissen bringt es auf den Punkt und konnte von mir als Leser uneingeschränkt geteilt werden.

„Alles, was wir geben mussten“ ist eine letztlich furchtbar traurige Geschichte, die trotzdem so viele schöne Elemente hat, dass man sich in ihr heimisch fühlen kann. Ein großartig komponierter Roman, den ich sehr genossen habe und definitiv ein neues Highlight!