Rezension

Wunderbare Mischung aus Tintenherz und Die unendliche Geschichte

Mein Herz zwischen den Zeilen - Jodi Picoult, Samantha van Leer

Mein Herz zwischen den Zeilen
von Jodi Picoult Samantha van Leer

Bewertet mit 4.5 Sternen

Inhalt

 

Was wäre, wenn ein Märchen dich derart gefangen nimmt, dass du ohne es nicht mehr leben kannst? Und was wäre, wenn dein Prinz plötzlich mit dir sprechen würde und das obwohl er eigentlich nur eine Figur in einem Buch ist?

 

Delilah ist es schon etwas peinlich, dass sie als Fünfzehnjährige ein Märchenbuch für Kinder ständig mit sich herumschleppt. Aber von niemandem fühlt sie sich so verstanden wie von Prinz Oliver, dem Held der Geschichte. Er, der wie sie früh den Vater verloren hat, ist so ganz anders als alle männlichen Hauptfiguren aus anderen Romanen. Und vor allem so viel cooler und erwachsener als die Jungs aus ihrer Klasse.
Richtig unheimlich wird es allerdings, als sich die Illustrationen zu verändern beginnen und Oliver plötzlich mit ihr spricht. Zuerst glaubt sie, sie werde verrückt, doch ein kleiner Teil von ihr will genau das: Dass er real ist.
Aber wie soll sie bloß seinen größten Wunsch erfüllen und ihn aus der Story heraus in ihre eigene Welt holen?

 

Meinung

 

Jodi Picoult ist normalerweise für ihre nachdenklich stimmende Literatur wie Beim Leben meiner Schwester, In den Augen der Anderen oder Neunzehn Minuten bekannt, in der sie gängige Moralvorstellungen schon mal in einem anderen Licht erscheinen lässt. Diesmal hat sie zusammen mit ihrer Tochter Samantha einen etwas anderen Roman geschrieben, dessen Inhaltsangabe den Leser sofort an eine Mischung aus Die unendliche Geschichte und Tintenherz erinnert. Trotzdem entwickelt die Handlung ihren ganz eigenen Charme, was vor allem an den beiden Hauptcharakteren liegt.
Delilah und Oliver sind mir beide sofort ans Herz gewachsen. Sie sind in ihrer Unbeholfenheit absolut liebenswert, ohne kindisch oder albern zu wirken. Man fühlt mit ihnen mit, genießt ihren wunderbar trockenen Humor und fiebert mit ihnen mit, ob und vor allem wie sie es wirklich schaffen, Oliver zu befreien. Aber auch die Nebenfiguren, besonders Delilahs beste Freundin Jules, ihre Mutter oder einige der übrigen Märchenhelden, wissen zu begeistern, die Geschichte lebendig zu gestalten und so manches Klischee zu verhindern.

 

Der flüssige Schreibstil und die zauberhafte Gestaltung machen es einem leicht, in der Story zu versinken. Abwechselnd aus Delilahs und Olivers Perspektive erzählt, durchbrochen durch Textabschnitte des eigentlichen Märchens, wird dem Leser grandiose Unterhaltung geboten. Natürlich mag diese im Vergleich zu Jodi Picoults anderen Werken eher oberflächlich und nicht derart tiefgründig sein, allerdings macht gerade das die märchenhafte Atmosphäre des Romans aus. Dazu gehört zudem ein wenig Magie, die nicht immer mit Logik zu erklären ist.
Etwas schade fand ich, dass man nicht das ganze Märchen im Buch abgedruckt hat. So begeistern jene Stellen zwar durch ihre fantastischen Illustrationen, doch hin und wieder kann man sich nicht zusammenreimen, was in den ausgelassenen Passagen passiert ist. Der Aufbau hat in der Hinsicht etwas Bruchstückhaftes, das nicht immer zum Rest der Geschichte passen will und manchmal sogar deplatziert wirkt.

 

Fazit

 

Wer Jodi Picoult für ihre ernsten, vielschichtigen Themen liebt, wird vielleicht von ihrem Jugendroman etwas enttäuscht sein. Aber es wäre ein Fehler, sich aus großen Erwartungen heraus diese Geschichte entgehen zu lassen. Facettenreich dargestellte Charaktere, eine märchenhafte Handlung, ein toller, trockener Humor und vor allem die wunderschöne Gestaltung des Buches sind mehr als genug Gründe, Mein Herz zwischen den Zeilen eine Chance zu geben.
Wer sich gerne verzaubern lässt, romantischen Märchen etwas abgewinnen kann, eine zauberhafte Aufmachung zu schätzen weiß und nicht zu sehr auf penible Logik versessen ist, wird dieses Werk sofort ins Herz schließen!