Rezension

Spurensuche

Seinetwegen -

Seinetwegen
von Zora del Buono

Bewertet mit 4 Sternen

Mit ihrer Mutter hat sie nicht über ihren Vater gesprochen, zu groß war die Angst vor dem schmerzlichen Blick. Sie selbst war zu klein, als ein Mann, in den VW-Käfer ihres Patenonkels knallte, der ihren Vater auf dem Beifahrersitz kutschierte. Vater war nicht gleich tot, er lag in der Klinik im Koma, bis sie die Maschinen abstellten, auf Geheiß ihrer Mutter.
 
Manchmal macht Zora sich darüber Gedanken, warum sie diese Verlustängste hat, vor allem in Beziehungen, die ihr gut tun. Die Erkenntnisse aus solchen Fragen teilt sie mit der Psychiaterin Isadora und ihrem guten Freund Henri, bei einem Kaffee in der Stammkneipe. Später als sich Panfi dazugesellt sagt er, dass es im Knast mehr Tote als Lebendige gibt. Sie sitzen auf Schultern, ziehen an Haaren, sprechen mit ihren Mördern. Im Knast kann man sich schlecht ablenken oder dem Suff verfallen. 
Die anderen ermuntern sie der Spur des „Töters“ ( sie weiß nicht, wie sie ihn sonst nennen soll) zu folgen. Während sie ersten Hinweisen nachgeht rutscht sie tiefer ins Erinnern. Wie sie in den Ferien bei ihren italienischen Großeltern war, die in einer Villa lebten. Die Großmutter Zora, nach ihr ist sie benannt, trug das Zepter und scheuchte die Hausmädchen herum. Bei ihr Zuhause in der Schweiz waren ihr auf dem Schulweg, Arbeiter begegnet, mit pechschwarzen Haaren und vielen dunklen Haaren auf den Armen und Schultern. Sie lebten in einem Bauwagen und die Jungs in der Schule riefen sie Tschings, das Schimpfwort für die zugereisten Italiener, die den Schweizern die Jobs und die Frauen wegnahmen. 
 
So einer war auch ihr Vater, aber der studierte Medizin an der Fakultät, dort lernte er ihre Mutter, die Röntgenassistentin kennen. 
 
Der Vater sei aus dem Auto geflogen, erfährt sie später aus Berichten, sei zwischen Koffern und Decken zum Liegen gekommen. Da wird er für Zora zum ersten Mal körperlich, nimmt Gestalt an, was muss er gedacht haben? 
 
Fazit: Zora del Buono begibt sich auf Spurensuche. Sie versucht über Erinnerungen und Nachforschung ihren Vater wieder auferstehen zu lassen, bis sie die Hintergründe seines Todes und den Charakter seines „Töters“ durchleuchtet hat. Dann erst kann sie ihren Vater erneut sterben lassen und seinen Verlust verarbeiten. Ich mag die Gedankengänge der Protagonistin, die alle nachvollziehbar sind. Die Erzählungen über die Schweizer und deren Umgang mit den „Gastarbeitern“. Es wird nachvollziehbar wie Fremdenfeindlichkeit entsteht, geschürt wird und auf Heute adaptierbar ist. Die Autorin konnte mich mit ihrer ruhigen, gefassten Erzähltechnik nicht so abholen, ich bin mir aber sicher, dass es Geschmackssache ist. Deshalb mag ich meinen persönlichen ganz und gar subjektiven Leseeindruck nicht so sehr in meine Bewertung einfließen lassen.