Rezension

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Manche Zeit wird uns entrissen, manche unvermerkt entzogen, manche fließt fort.

Seinetwegen -

Seinetwegen
von Zora del Buono

Cover: Das Cover gefällt mir, es hat etwas Ruhiges zeigt wie sachlich die Geschichte erzählt werden möchte. Der Titel "Seinetwegen" kann als Frage verstanden werden, oder eben als Anklage, Frage: Ist Seinetwegen unser Leben so gewesen, wie wäre es ohne den Unfall gewesen? Oder als Anklage: Seinetwegen, er ist Schuld hätte er doch… Das Buch ist weiß, ist auch das Absicht, weiß als Unschuldig?

Rezension: Nach „Die Marschallin“, erschienen 2021 erzählt Zora del Buono eine weitere Familiengeschichte als Zeitgeschichte.
In den 1963 Jahren wo ein Autos als modernes Fortbewegungsmittel galt und man sich über Sicherheit noch nicht so viel Gedanken gemacht hat spielt diese Familiengeschichte. Wie stolz war man auf sein damals gekauftes Auto in diesem Buch einen VW Käfer machte es doch frei und unabhängig. Und dann, wie oft stellt man sich die Frage war man zur falschen Zeit am falschen Ort, ein Unfall geschieht und die Frage nach dem wie hat er das Leben aller Beteiligten verändert steht im Raum. Wie auch hier müssen alle Beteiligten lernen damit zu leben, jeder auf seine Art. Die Autorin schreibt immer wieder Geschichte um die Geschichte, das normale Leben, Zeitgeschehnisse, das lässt es interessant bleiben, los geht’s. Mit nur acht Monate verliert Zora ihren Vater bei einem Unfall, im Kino sieht sie Bambi und weint, weil Bambi den Verlust ihrer Mutter durchleben muss, sie sieht Herby der ihr vermittelt wie lustig und bunt ein Käfer sein kann, zur Firmvorbereitung drehen Jugendliche einen Film, Zora spielt die Hauptrolle einen Unfall mit Ketchup, was hat der Pfarrer sich dabei gedacht, ist es gut therapeutisch durchdacht oder ist er einfach ein Sadist? Sie trägt einen Diamantring ihrer Mutter der schon zwei Mal verloren war. Der Brillant ist so teuer wie ein Auto, der Ring erinnert aber eher an ihre süditalienischen Schwiegereltern als an ihren Mann um den sie ein Leben lang getrauert hat. Ein Juwelier wo sie einen Vorsteckring kaufen möchte erkennt sofort den Wert des Rings, nicht ein ganzes Auto trägt sie eher einen gebrauchten.
Eingangs habe ich mich gefragt warum sucht sie erst jetzt nach dem Verursacher, möchte jetzt wissen wie alles war, wo sie selber 60 Jahre alt ist, etwa ab der Mitte des Buches erzählt sie warum. Das Buch ist im Wechsel geschrieben von Erzählung zu einem Sprachdialog in einem Café. Sie sucht den Verursacher, zunächst weiß sie nicht wie er heißt nur die Initialen E.T. im Verlauf findet sie den Namen aber es gibt mehrere davon, wer ist der richtige? Sie schreibt zunächst wertend über die Personen, ihr Vater ein Arzt, der Verursacher ein Arbeiter, ist einer mehr wert wie andere. Zu Anfang des Buches hat die Autorin harte Worte zum Verursacher, sie schreibt „Der Täter meines Vaters“, aber ist er das? Ich frage mich auch wie wird der Verursacher damit umgehen nach so vielen Jahren wieder damit konfrontiert zu werden, was mutet sie ihm zu? Nein, er ist kein rüpelhafter Fahrer gewesen, was er gewesen ist, hinterfragt und findet sie und kommt zu dem Schluss ihn letztendlich doch nicht kennenlernen zu wollen. Satz: Ich werde ihn nie kennenlernen. Eine sich verlaufende Spur. Das Buch hat ein schönes Ende, sie findet ihr unbekannte Filme ihrer Eltern, ihre Eltern als Paar, als Liebespaar. Zwei Textzeilen in dem Buch fand ich besonders gut. 1. Textzeile: Keiner, der im Straßenverkehr stirbt, hat morgens das Haus mit dem Wissen verlassen, das dies sein letzter Tag sein wird (und keiner denkt, dass er heute einen Menschen töten wird) Es kann jeden und jede treffen, auch mich. (Hier habe ich gedacht muss das nicht andersherum sein jede und jeden?) 2. Textzeile: Nahezu jeder Mensch sagt in seinem Leben nicht nur ein erstes, sondern auch ein letztes Wort, und manche letzte Worte werden berühmt, wenn auch anekdotisch, das heißt zweifelhaft, wie Goethes: Mehr Licht. Jeder von uns wird sein ureigenes Wort haben, das wir jetzt noch nicht kennen, und ich erinnere mich bei keinem der drei Menschen, die ich durch ihre finalen Stunden begleiten dufte, welche es waren.
Auf Seite 109 gab es in der Geschichte einen Sprung den ich nicht ganz verstanden habe, vielleicht kann es mir jemand erklären, bei mir sind das Stolpersätze, wenn ich einen Satz zwei Mal lesen muss und das war bei dem Absatz so.
Die Autorin hat wahrscheinlich extra für mich (quatsch) in ihrem Buch noch ein schönes Zitat geschrieben: „Immer wieder erstaunlich, wie Bücher ihren Weg zu einem finden. Manchmal liegen sie monate- oder jahrelang herum, bevor man sie aufschlägt, und genau dann passen sie zum eigenen Leben wie die Faust auf Auge“.
Resümee: Das Buch ist klar und sachlich, mit einen ruhigen Schreibstiel geschrieben, man findet leicht in das Buch, sie baut die Handlung auf, nimmt den Leser mit und entlässt ihn mit einem schönen Gedanken. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, es ist für jemanden geschrieben der sich nach einem Unfall die Frage stellt, wie geht es allen die daran beteiligt sind und was hat es aus ihnen gemacht, vielen Dank dazu. Erschienen ist es im C.H. Beck Verlag

NACHTRAG: Ich möchte einen Satz aus dem Buch aufgreifen, weil ich ihn richtig und wichtig finde und weil es gut ist, diese Plattform zu nutzen um darauf aufmerksam zu machen. Es hat für mich mit Wertschätzung eines jeden Menschen zu tun. Warum ist eine Arbeit, die oftmals erschwerlich ist, wie Frisöre, Einzelhandelskaufleute, Müllmänner, Medizinisches Personal, Pfleger und viele mehr, kaum etwas wert, andere die Freitagmittag schon Wochenende habe so viel verdienen, wer Verantwortung trägt sollte etwas mehr haben, aber hat eine Frisörin nicht auch Verantwortung, wenn sie die Farbe zum Färben falsch anrührt kann es zu schweren Gesundheitlichen Folgen kommen. Oder ein Arzt kann ohne Personal gar nicht arbeiten. Und es muss Menschen geben die in „Niedriglohngruppen“ arbeiten, allein schon das Wort „Niedriglohngruppen“ oder „Mindestlohn“ sind abwertend, der Mensch oder seine Arbeit sind nur das mindeste an Lohn wert, die Frage ist auch, warum ist das so? Der Seite steht auf Seite 187 „Was auch deutlich wird: Wie nah die Löhne von Akademikern und Arbeitern damals noch beieinander lagen und das die abscheulichen Gehaltsunterschiede, die heutzutage vorherrschen, keinesfalls der Normalzustand sein müsste!“ Vielen Dank für diesen Satz.