Rezension

Gesellschaftlich wichtige Themen, literarisch leider etwas dahinter zurückbleibend

Und alle so still
von Mareike Fallwickl

Bewertet mit 4 Sternen

Mit großer Begeisterung habe ich "Die Wut, die bleibt" gelesen, oft weiter verschenkt und war jetzt sehr neugierig auf "Und alle so still". Während sich im ersten die Empörung über patriachale Strukturen aggressiv seine Bahn bricht, legen sich in diesem Buch die Frauen resigniert schweigend nieder. Es ist alles gesprochen und gesagt. Sie stellen Care-Arbeit ein, verlassen ihre schlecht bezahlten Arbeitsplätze, das System kommt zum Erliegen. Das Buch lebt für mich zum einen durch die Figur der Ruth, die als Pflegerin im Krankenhaus arbeitet, ihren schwerkranken Sohn alleinerziehend bis zu seinem Tod gepflegt hat. Zum anderen durch Nuri, der nahezu rundum die Uhr in schlecht bezahlten Jobs arbeitet bzw. eher ausgebeutet wird (Günther Wallraff lässt zwischendrin grüßen) und trotzdem zu wenig hat, um davon leben zu können. Sehr berührend die zunehmende Solidarität unter den Frauen. Deren gegenseitiger Halt und Unterstützung erlebe ich als das hoffnungsvolle Element in der Geschichte. Die Sprache ist klar, teils poetisch und sagt mir persönlich sehr zu. Etwas Schwierigkeiten hatte ich mit der Figur der Barbara. Da hatte ich zwischendurch das Gefühl, als würde die Autorin als alter ego über das patriachale System referieren, was sich ein wenig nach "Sendung mit der Maus" beim Lesen anfühlte. Das Buch hatte für mich nicht die ganz große Wucht wie "Die Wut die bleibt". Nichtsdestotrotz ist es ein großartiges Buch. Immer wieder habe ich zurückgeblättert, über bestimmte Aussagen nachgedacht, eigenen Erfahrungen nachgespürt. Geblieben sind mir zudem einige sehr intensive Szenen (u.a. die Arbeit von Ruth im Krankenhaus). Der Roman behandelt gesellschaftlich wichtige Themen, literarisch bleibt er leider vom Anspruch etwas dahinter zurück.