Rezension

Kaiser ganz ohne Kleider

Reise nach Laredo -

Reise nach Laredo
von Arno Geiger

Bewertet mit 3 Sternen

Einstiegsort und Endstation in diesem Altersroman sind Kirche und Kloster
San Jerónimo de Yuste in der Extremadura Spaniens. Hier begegnen wir dem abgedankten altersschwachen und mehrfachschwerstkranken ehemaligen spanischen König und Habsburger Kaiser Karl V. ("el gran Carlos Quinto" nannte ihn einst Miguel de Cervantes, der Schöpfer des "Don Quijote"). Immer wieder erinnert Karl im Roman auch an diesen Ritter der traurigen und ein wenig einsamen Gestalt. Er - der einst mächtigste Mann der Erde.
Die ersten 50 sowie gut letzten 20 Seiten dieses 272 Seiten starken Buches sind im Gegenwärtigen gehalten und bilden den Rahmen der Reise, diese selbst wird im Mittelteil im Vergangenen erzählt.
Der von jungen und jugendlichen Begleitern umgebene Karl erscheint als hinfälliger, altersschwacher sowie von vielen Krankheiten gezeichneter Mann von fürs Mittelalter beachtlichen 58 Jahren. Autor Arno Geiger beschreibt den ehemaligen Kaiser und König ebenso eindrücklich und direkt körperlich wie seelisch schmerzhaft leidend und recht hilflos. Landschaft und Leute auf der Reise Karls und Geronimos nach Laredo bringt er poetisch und kraftvoll nahe.
Die Mühseligkeiten, das Innere Spaniens zu durchqueren, und die Kargheit des damaligen Lebens erfasst der Romancier in sprachgeschmeidigen und ausdrucksvollen Passagen, die mit vielen Lebensweisheiten und Wortspielereien durchsetzt sind. Für mich ist es dabei eine recht spröde, karge und niederdrückende Reise. Es sind etliche Längen in diesem Kurzroman, die das Lesen bei aller Schönheit der Sprache erschweren und anstrengen. Über allem liegen Schwermut und Melancholie wie Sand in der Wüste - die großen Themen Altern, Leben und Sterben, Einsamkeit und Gemeinschaft werden durch viele innere Fragen aus Sicht des Protagonisten aufgeworfen und sind Schattengestalten der mitunter recht zähen Handlung.
Die Traumreise führt bei Karl zu einer größeren Gelassenheit und spürbar zu einer Wandlung seiner letzten Stunden ("...er spürte, wie etwas von ihm abfiel..." S. 250).
Das Cover fasst mit den verschieden abgesetzten Rotbrauntönen der Landschaft den Charakter der Reise sehr treffend und spricht mich stimmungsvoll an.
Ich habe diesen anregenden und anstrengenden Reiseroman während des Urlaubssommers insgesamt gesehen trotz vieler schwermütiger und hoffnungsferner Momente immerhin phasen- und passagenweise genießen können.