Rezension

Wer bin ich, und wer will ich sein?

Juli, August, September -

Juli, August, September
von Olga Grjasnowa

Bewertet mit 4 Sternen

Ich-Erzählerin Lou, eigentlich Ludmilla, ist Kunsthistorikerin und lebt mit ihrem Mann Sergej, einem erfolgreichen Pianisten, in Berlin. Ursprünglich stammt die Familie aus der ehemaligen Sowjetunion. In den 90er Jahren wanderte der größte Teil der Familie nach Israel aus, Lous Mutter mit ihrer Tochter jedoch als einzige nach Berlin. Lous Ehe ist nicht glücklich. Ihr Mann gibt ständig irgendwo Konzerte und verbringt wenig Zeit mit seiner Frau und der kleinen Tochter Rosa. Lou schreibt seit langer Zeit an einem Buch, mit dem sie nicht vorankommt. Auch ihr Mann durchlebt eine Krise. Dann bittet Lous Mutter sie eines Tages, die Einladung zu einer großen Familienfeier in einem All-Inclusive-Hotel auf Gran Canaria mit ihr zusammen anzunehmen, wo der 90. Geburtstag von Lous Großtante Maya, der jüngeren Schwester ihrer verstobenen Großmutter Rosa gefeiert werden soll. Nach einigem Zögern stimmt Lou zu. Man kennt sich kaum oder gar nicht, und es gibt bei diesem Treffen viele Spannungen und Missverständnisse. Lou hört sich Mayas Version der Vergangenheit an und staunt über die vielen Lügen von Maya und den anderen. Es scheint eine Menge zu geben, was sie nicht weiß, vor allem nicht die Ursache für das schlechte Verhältnis der Schwestern Rosa und Maya. Lou beschließt, nach Israel zu reisen, um endlich Antworten auf all ihre Fragen zu bekommen.
Die drei Monate des Titels spiegeln nicht nur die zeitliche, sondern auch die räumliche Abfolge: Berlin, Gran Canaria, Israel. Der Leser verfolgt, wie Lou sich mit ihren jüdischen Wurzeln auseinandersetzt, sich fragt, was genau ihre Identität ausmacht und welche Rolle jüdisches Leben und Religion bei der Erziehung ihrer Tochter spielen sollten. Das ist interessant und packend dargestellt und hat mir gut gefallen – allerdings nicht ganz so gut wie vor Jahren “Der Russe ist einer, der Birken liebt.“