Rezension

Meyerhoff ist ein genauer Beobachter und erzählt mit Empathie von den Menschen

Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke
von Joachim Meyerhoff

Bewertet mit 5 Sternen

Ein mir bis dahin unbekannter Schauspieler schreibt den dritten Band seiner Autobiografie und nennt ihn Roman – warum mag ich dieses Buch so?

Viele werden es kennen, dass sie ein Buch lesen, das offensichtlich hochwertige Literatur ist – aber man kommt nicht rein und muss kämpfen, um weiterzulesen. Bei anderen Büchern ist man nach wenigen Seiten oder sofort »drin« und ahnt oder weiß schon, dass man dieses Buch lesen will und sich freut, wenn man, etwa nach einem Arbeitstag, wieder Zeit hat weiterzulesen. Zu diesen Büchern gehört für mich »Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke« von Joachim Meyerhoff.

Im Mittelpunkt dieses Bandes stehen Meyerhoffs Großeltern mütterlicherseits, die Schauspielerin Inge Birkmann (1915–2004) und der Philosoph Hermann Krings (1913–2004) (die Namen werden im Buch nicht genannt), sowie seine Zeit auf der Schauspielschule. In der Sendung »Kölner Treff« vom 11.12.2015 erzählt Meyerhoff bei Bettina Böttinger Szenen aus seinem Buch (https://www.youtube.com/watch?v=vlFDQgRCBwA) – vor allem witzige Episoden. Auch das Buch ist in vielem witzig – aber es hat, in der Erzählung derselben Episoden, mehr Tiefgang.

Womit ich wieder bei der Frage der Autobiografie wäre: Was erzählt wird, ist autobiografisch, aber anders als bei einer Autobiografie ist nicht alles bloß auf die Person des Berichtenden hin orientiert. Der Autor lässt ein ganzes Spektrum von Personen vor seinen Leserinnen und Lesern erstehen – er ist ein genauer Beobachter, zu dessen Fähigkeiten es gehört, die Menschen nicht wertend mit Empathie zu beschreiben. Innerliche Befindlichkeiten vermag er wiederzugeben, indem er erzählt, wie eine Person mit solchen Gefühlen ihre Welt erlebt, wie anders ihr, etwa in Trauer, ihre Umgebung erscheint. Meyerhoff erzählt nicht einfach von Meyerhoff, sondern von Meyerhoff in seiner Umwelt, das Autobiografische zeigt menschliches Leben und Erleben über die Subjektivität des Autors hinaus.

In allem ist das Buch gut geschrieben – und lässt sich sehr gut lesen. Ein Buch, das ich sehr gerne gelesen habe und gerne weiterempfehlen möchte.

Kommentare

Naibenak kommentierte am 28. Februar 2016 um 11:18

Dankeschön! Eine sehr schöne Rezi! Diesen Autor will ich auch noch lesen! Schon sehr viele schöne Kritiken von mir "ähnlichen" Buchsuchtis ;) Das ist ganz bestimmt auch was für mich. Bin nur am Überlegen, ob man besser mit dem ersten Buch beginnt... hast du die Vorgänger gelesen?

Steve Kaminski kommentierte am 28. Februar 2016 um 11:52

Danke für Deinen Kommentar! - Ich habe dieses Buch geschenkt bekommen und habe es daher als Erstes der Trilogie gelesen; man kann es gut vor den anderen lesen. Danach habe ich noch "Amerika" gelesen, das mir auch sehr gut gefallen hat, und bin jetzt an "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war". Wenn ich recht sehe, ist "Amerika", das u.a. von seinem "Schüleraustausch"-Jahr in den USA erzählt, das erste der Reihe, "Wann wird es endlich...", das von einer früheren Zeit erzählt, das zweite - das heißt, Meyerhoff hat selbst auch nicht in der biografischen zeitlichen Reihenfolge erzählt. Man kann alle Bände für sich lesen, ohne die anderen zu kennen. "Wann wird es endlich..." gefällt mir bisher nicht ganz so gut, vielleicht weil ich derzeit nur selten was nebenher lese und deshalb nicht so reinkomme. Bei "Amerika" brauchte ich auch etwas mehr Anlauf als bei der "entsetzlichen Lücke".