Rezension

"Nur BBC hören ist als Widerstand gegen die Nazis zuwenig."

Der Empfänger - Ulla Lenze

Der Empfänger
von Ulla Lenze

Bewertet mit 3 Sternen

Josef „Joe“ Klein wandert, um der Armut im Deutschland der Zwischenkriegszeit zu entkommen, nach Amerika aus. Ursprünglich hätten sowohl Josef als auch sein jüngerer Bruder nach Amerika gehen sollen. Aufgrund eines Unfalls, über den nichts näheres bekannt ist, als dass Carl ein Auge verliert, muss der jüngeren in Deutschland bleiben. Doch auch in New York fliegen Joe keine gebratene Tauben in den Mund. Im Gegenteil, er fristet sein Leben mit Gelegenheitsjobs. Sein einzige Vergnügen ist das Amateurfunken, das ihn bald in das Visier der amerikanischen Nazis geraten lässt. Es dauert bis er begreift, dass er hier nur Mittel zum Zweck ist und als Ablenkungsmanöver für so manche echte oder vermeintliche Geheimdienstaktion fungiert..

 

Es kommt wie es kommen muss, als Deutschland den Zweiten Weltkrieg entfesselt, wird er interniert und nach Ende des Krieges nach Deutschland abgeschoben. Auch dort kann er nicht mehr Fuß fassen und deshalb begibt er sich auf die Reise nach Südamerika, wo er wieder auf die alten Bekannten aus den USA trifft.

 

Meine Meinung:

 

Dieser Roman beruht auf wahren Begebenheiten. Er zeigt die Zerrissenheit des Josef Klein, der sich weder in der alten noch in der neuen Heimat zurecht findet. Wir begleiten Klein über rund 30 Jahre seines Lebens. Immer wieder springt die Autorin durch Zeit um Raum, was es dem Leser nicht ganz einfach macht, die jeweilige Lebenssituation von Josef Klein zu überblicken.

Sein Wiedersehen im Jahr 1949 mit Bruder Carl und dessen Familie ist auch nicht friktionsfrei. Die Zerstörung Deutschlands und die vielen unausgesprochenen Fragen lassen das Zusammenleben schwer sein. Kurz werden einmal die Nazi-Gräuel angesprochen, aber nur ganz kurz. Man hätte ohnehin verbotenerweise BBC gehört, rechtfertigt sich Carl. Josef genügt das als Verteidigung nicht. Doch sein eigenes Verhalten, nämlich Flugzettel für die US-Nazis zu verteilen, ist ebenfalls fragwürdig.

 

Zwischen Jo und der Schwägerin Edith liegt so etwas wie eine unterschwellige Erotik in der Luft, der natürlich nicht nachgegeben werden darf. Bruder Carl ist zutiefst verunsichert und schlägt scheinbar grundlos seinen Sohn. Sollte der aus einer außerehelichen Beziehung von Edith stammen? Alles in allem ein sehr düsteres Familienidyll. Gleichzeitig ist dieser Roman eine Aneinanderreihung von Missverständnissen und Vorurteilen auf beiden Seiten.

 

 

Der Roman beschreibt ein nicht allzu offen diskutiertes Thema, das vielen Lesern nicht bekannt sein dürfte: Dass es auch in den USA Nazis gab (und auch noch immer gibt). Sie verstecken sich häufig hinter Gruppierungen, die gegen Farbige auftreten und/oder „America First“ schreien.

 

Das Stimmungsbild auf beiden Seiten des Atlantiks ist gut getroffen. In Summe wirft der Roman allerdings mehr Fragen auf, als er beantwortet.

 

Fazit:

 

Ein interessantes Thema, trotzdem hat mich dieser Roman nicht zur Gänze überzeugt. Daher bleibt es bei 3 Sternen.