Rezension

Überwindung

Bären füttern verboten - Rachel Elliott

Bären füttern verboten
von Rachel Elliott

Sydney Smith steckt voller Energie, schon ihr ganzes Leben lang klettert und rennt sie am liebsten durch die Gegend. Auch mit Mitte Vierzig ist ihre Umgebung für Sydney ein großer Spielplatz, eine Herausforderung – ein Parcour mit Hindernissen, die sie überwinden möchte. Einem persönlichen Hindernis stellt sie sich in St. Ives, eine Reise in die Vergangenheit, in einen Ort, zu Personen, die lange hinter ihr lagen. Alte Geschichten werden erweckt und neue Verbindungen entstehen für Sie. In St. Ives selbst wird Maria als eine der ersten auf die Frau, die auf Dächern steht, aufmerksam, glaubt sogar an eine Verbindung zu ihr. Im Laufe der Ereignisse entsteht in jahrelang festgefahrenen Strukturen eine Dynamik, die alle ein Stück weit verändert. Sydney und ihre Familie, Maria und ihre Familie – und das Schöne ist, irgendwie insgesamt so richtig „zum Guten“.

Dabei stellt sich natürlich dem Leser auch lange die Frage, um welches Ereignis in der Vergangenheit sich die Problematik dreht. Der Ausgang ist direkt klar, das Warum wird erst zum Ende hin aufgelöst – und spielt eigentlich sogar eine recht untergeordnete Rolle. Rachel Elliott wechselt ab zwischen Rückblenden und den aktuellen Ereignissen in St. Ives. Stellt ihre Personen vor, ihren „Werdegang“, ihre Spleens, ihre Gefühle, ihr Päckchen, dass mit sich tragen und dann die Veränderungen, die durch neue Interaktionen, durch neue Fragen, neue Denkanstöße plötzlich ein bisschen Wind in alte Routinen bringen und alles ein wenig durcheinanderwirbeln und neue Weichen stellen, so lange, bis alles irgendwie auf einem neuen Weg ist.

Ich war von dem Eingangskapitel schlichtweg begeistert, vielleicht sogar ein wenig zu sehr. Aber ich spürte da einen Hauch in den Zeilen, der mich an Mariana Leky erinnerte, fast sogar schon an John Irving (nein, nicht wegen des Titels). Diese Personen, die Art der Schilderung, die Skurrilität, die Lakonie! Der Anfangs-Euphorie hielt das Buch dann im weiteren Verlauf nicht ganz stand. Was aber blieb war ein Erzählstil, der sogleich leicht und humorvoll, aber auch melancholisch und dramatisch ist. Das hat mich sehr begeistert. Auf dem Klappentext fällt das Wort „liebenswert“ zur Charakterisierung, und das finde ich sehr zutreffend. Rachel Elliott ist freundlich zu ihren Figuren, und das wird in meinen Augen gut zum Leser transportiert – und bleibt irgendwie haften. Man nimmt dadurch sehr viel Anteil an ihrem Leben und Fühlen, man begleitet sie ein Stück weit, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart durch St. Ives, am Strand, mit den Hunden, im Alltag, über die Dächer, in ihrer Entwicklung.

Fazit: klare Leseempfehlung. Kein Larifari-Buch, aber auch keine schwere Kost. Eine runde Geschichte, mit tollem Erzählstil und behutsam gezeichneten Charakteren – sympathisch und realistisch, so dass ein Bezug leichtfällt.