Rezension

Beeindruckende Geschichte - beeindruckend erzählt.

Der Apfelbaum - Christian Berkel

Der Apfelbaum
von Christian Berkel

Ich wünsche diesem Buch ganz viele LeserInnen und bin sicher, dass es auch ganz viele Gespräche in den eigenen Familien nach sich ziehen kann.

"Wenn wieder einmal jemand fragt, wo es denn bleibt, das lebensgesättigte, große Epos über deutsche Geschichte, dann ist von jetzt an die Antwort: Hier ist es, Christian Berkel hat es geschrieben. Dieser Mann ist kein schreibender Schauspieler. Er ist Schriftsteller durch und durch. Und was für einer.“ Das sagt Daniel Kehlmann über dieses Buch bzw. den Autor.

Christian Berkel, den ich als Schauspieler und Hörbuchsprecher sehr schätze, hat einen Roman geschrieben. Ich war neugierig auf dieses Buch, auf sein Debüt als Schriftsteller, und nach der Lektüre wünsche ich mir ganz klar „mehr“.

Was nun macht dieses Buch so lesenswert? Das ist zu einem guten Teil sicherlich die Geschichte, die sich biographisch an die Geschichte der Familie des Autors anlehnt.
Im Mittelpunkt stehen die Mutter Sala, Halbjüdin aus einer durchaus besser gestellten und intellektuellen Familie, und der Vater Otto, der aus einem einfachen Elternhaus aus dem Arbeitermilieu stammt. Haben die beiden eine Chance auf ein gemeinsames Leben. Als sie sich kennenlernen sind beide viel zu jung für diese Frage, später kommt der Krieg dazwischen...
Sala verlässt Deutschland im Jahre 1938, lebt zunächst bei ihrer jüdischen Tante in Paris, bis auch dort durch den Einmarsch der Deutschen das leben aus den Fugen gerät.
Otto zieht als Sanitätsarzt in den Krieg und gerät kurz vor Ende in russische Kriegsgefangenschaft, erst 1950 kehrt er in ein noch immer weitgehend zerstörtes Berlin zurück.
Sala versucht zu fliehen, wird verraten und in ein Lager in den Pyrenäen gebracht. Fast schon ist sie auf dem Weg nach Auschwitz, als sie in einen Zug nach Leipzig gerät und dort untertauchen kann. Nach Kriegsende versucht sie, sich in Buenos Aires ein neues Leben aufzubauen, was ihr aber nicht gelingt. Schließlich kehrt auch sie nach Berlin zurück. Sie finden sich wieder, soviel sei hier verraten, aber werden sie an die alte Liebe anknüpfen können?
Ein wenig gewöhnungsbedürftig waren anfangs die Zeitsprünge, die der Autor den Lesern zumutet, im Verlauf des Buches aber machten sie auch einen Teil der Spannung aus.
Mich haben die Gespräche mit seiner Mutter beeindruckt, die dement ist, aber zu dieser Zeit auch noch klare Momente hat. In den anderen Momenten verwechselt sie Personen, erfindet Ereignisse neu und stellt zeitliche Zusammenhänge her, die aus dem wirklichen Leben heraus ganz unmöglich waren. Bewundert habe ich die Geduld, mit der Christian Berkel durch diese Unterhaltungen geht. Unterhaltungen, die einerseits von einem frechen berlinerischen Humor Salas zeugen, aber andererseits auch die ganze Dramatik einer Demenzerkrankung erkennen lassen.

Ich wünsche diesem Buch ganz viele LeserInnen und bin sicher, dass es auch ganz viele Gespräche in den eigenen Familien nach sich ziehen kann.