Rezension

Begeisternd, erschütternd und mitreißend zugleich

Im Warten sind wir wundervoll -

Im Warten sind wir wundervoll
von Charlotte Inden

Bewertet mit 5 Sternen

Berührendes Schicksal und unkonventioneller Schreibstil begeistern

Was für ein wundervolles Buch! Der Gedanke schießt mir nach der letzten Seite nicht das erste Mal durch den Kopf.

Ein ergreifendes Schicksal wird mit jeder Menge Dramatik, aber auch Dynamik, Witz und einem außergewöhnlichen Schreibstil so beeindruckend in Worte gefasst, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen mag – zu fesselnd sind die Geschichten darin.

Gut sieben Jahrzehnte nach ihrer Großmutter Luise Adler macht sich auch Enkelin Elfie mit dem Flugzeug auf den Weg nach New York um zu heiraten. Auf dem Flug erzählt sie ihrem fremden Sitznachbarn die ergreifende Geschichte ihrer Großmutter, die als junge deutsche War Bride im Dezember 1948 nach ihrer Ankunft am New Yorker Flughafen vergeblich auf ihren Verlobten wartete.

Das Cover des Buches ist so schlicht gehalten, dass es meiner Aufmerksamkeit beinahe – zum Glück nur beinahe – entgangen wäre: Der Titel in großen orangefarbenen Lettern auf weißem Hintergrund, in der unteren Ecke ein laufendes junges Mädchen aus einem vergangenen Jahrzehnt. Die Autorin Charlotte Inden war mir bisher kein Begriff und auch der Klappentext, obwohl schon vielversprechender, wirft dem Leser eher einige Appetithäppchen hin.

Die Handlung des Romans teilt sich in drei jeweils chronologisch verlaufende Erzählstränge, von denen zwei im Verlauf des Buches ineinander übergehen. Es sind die Geschichten von Luise Adler nach ihrer Ankunft in Amerika im Dezember 1948 und ihr vorheriges Leben bei Kriegsende bzw. im Nachkriegsdeutschland, sowie die Geschichte ihrer Enkelin Elfie, die auf dem Weg zu ihrem eigenen großen Glück voller Leidenschaft von ihrer Großmutter erzählt. Definitiv Geschichten mit Tiefgang. Insbesondere zu Beginn des Romans geht Charlotte Inden mit Namen äußerst sparsam um. Da war es für mich  ausgesprochen hilfreich, dass die Erzählstränge in sich chronologisch verlaufen und die Geschichten Luises in der Vergangenheit, die der Enkelin Elfie in der Gegenwart verfasst sind. Überhaupt finde ich den Schreibstil von Charlotte Inden absolut ungewöhnlich und erfrischend: phasenweise schildert sie die Geschichte beinahe abhackt in unvollständigen Sätzen und fordert in vielen Passagen die Fantasie ihrer Leser. Nicht immer klärt sie die Umstände auf, lässt Fragen offen oder bietet verschiedene Verlaufsmöglichkeiten an. Gerade die Kombination aus Schreibstil, den erschütternden Geschehnissen in Krieg und Nachkriegszeit und dem starken Charakter des Fräulein Luise Adler machen den Roman absolut mitreißend ohne dabei durchweg zu deprimieren. Wie die Geschichten von Luise Adler und ihrer Elfie ausgehen wird erst kurz vor Schluss aufgelöst. Die Spannung bleibt bis zum Schluss erhalten. Ja, es gibt die Enkelin, aber hatte Luise deshalb ein glückliches Leben? Und auch der Krieg hat schließlich Spuren hinterlassen - nicht nur sichtbare. Das beste Beispiel hierfür ist Jos Freund Wilson.

Dass die Hoffnungslosigkeit trotz aller grausiger Ereignisse nicht die Oberhand gewinnt, ist ganz sicher Luise zu verdanken. Sie lässt sich einfach nicht unterkriegen. Handelt überlegt und selbstbewusst. Dabei steht das Wohl ihrer Lieben für Luise stets an erster Stelle. Dass sie sich ausgerechnet in einen GI verliebt, macht ihr Leben in vielen Belangen nicht leichter. Verstehen kann ich es als Leser trotzdem sofort: Joseph zeigt Menschlichkeit in unmenschlichen Verhältnissen. Er handelt mit Bedacht, hilft wo er kann und setzt sich dafür notfalls auch über Regeln hinweg. Enkelin Elfie hingegen ist eher spontan und ziemlich direkt. Vielleicht auch ein wenig naiv, aber auch sie ist absolut sympathisch. Nicht nur mit ihrer lebhaften Erzählung über die Großmutter nimmt Elfie ihre Reisebekanntschaft Stephen völlig für sich ein. Stephen steht der leicht chaotischen Elfie zur Seite wo er nur kann, obwohl sie beide in festen Händen sind.

Charlotte Indens „Im Warten sind wir wundervoll“ ist mein persönliches Buchhighlight des Jahres. Eine unglaublich ergreifende Geschichte mit viel Tiefgang, die sich ganz wunderbar liest und für mein Gefühl viel zu schnell endet. Absolute Leseempfehlung!