Rezension

Besser kann man die irische Geschichte und Spaltung nicht erzählen.

Übertretung -

Übertretung
von Louise Kennedy

Bewertet mit 5 Sternen

Cushla bereitet ihrer Mutter ein Tablett mit Toast und Tee. Während sie zwei Eier in die Pfanne schlägt, sieht sie den Verwaltungsangestellten, der in Wirklichkeit Gefängniswärter ist, von Gegenüber. Er tritt aus der Haustüre, lässt sich auf den Boden fallen, schaut unter sein Auto, findet keine Bombe. Neben seiner Haustüre hat sich jemand mit der Spraydose verewigt: Taigs raus!

Am Abend will Cushla ihrem Bruder im Pub helfen, aber als sie aus der Schule nach Hause kommt, liegt ihre Mutter bewusstlos vor der Toilettenschüssel. Es dauert, bis Cushla Gina wieder zu sich geholt, sie geduscht und zu Bett gebracht hat. Eamonn ist stinksauer. 

Ihr Arbeitskollege Gerry, der die Parallelklasse unterrichtet, lädt Cushla ins Kino ein. Auf dem Weg werden sie von einer Streife angehalten. Während man Gerry den Gewehrkolben ins Kreuz stößt, stellt ein anderer Cushla aufdringliche Fragen: “Ach so, du willst deinen Freund hier scharf machen und ihn dann nicht ranlassen?”

Im Pub lernt die 24 jährige Cushla, den deutlich älteren Michael kennen, der ihr Avancen macht. Sie verliebt sich in ihn und trifft ihn heimlich, ohne zu ahnen, worauf sie sich einlässt.

Fazit: Zu der Zeit, als die IRA anfing Nordirland zu terrorisieren, war ich gerade sechs Jahre alt. Der Bürgerkrieg zwischen Katholiken und Protestanten ging bis Ende der Neunziger Jahre. Während ich mit dem Erwachsenwerden, dem kalten Krieg und unserer RAF beschäftigt war, ist die Tragik in Irland fast unbemerkt an mir vorbeigezogen. Auch deshalb bin ich sehr froh, dass der Steidl Verlag mich mit dem Cover und dem Klappentext so angesprochen hat, dass ich das Buch lesen wollte. Die Geschichte ist spannend und schnörkellos erzählt. Fast alle Protagonisten und Nebendarsteller haben Kummer und daher, ein mehr oder weniger großes Alkoholproblem. Willkür und Gewalt beherrschen jeden. Alle sind auf der Hut, um ja nicht zur Zielscheibe zu werden. Cushla muss sich von ihrem Bruder bevormunden lassen, weil sie ihr Leben integer lebt und ihre eigenen Entscheidungen trifft. Das wiederum führt zu Anfeindungen gegen Eamonn, Drohungen und Umsatzeinbußen. Jedes Verhalten will gut überlegt sein, jeder Schritt hat eine mögliche Konsequenz. Als Leserin ist mir zwischenzeitlich, wegen der Ungerechtigkeiten, die Galle hochgekommen. Louise Kennedy hat mich bewegt, hat mich mitfühlen lassen. Mich in eine Zeit versetzt, die ein Volk zunächst gespalten und dann traumatisiert hat. Eine klare Leseempfehlung!