Rezension

Wenn einem die Worte fehlen, ist es meist ein gutes Buch

Übertretung -

Übertretung
von Louise Kennedy

Bewertet mit 4 Sternen

Mit Übertretung von Louise Kennedy begeben wir uns in das Jahr 1975 und mitten in eine gespaltene Gesellschaft. 

"Hier geht es nicht darum, was man tut", sagt er. "Es geht darum, was man ist."

Cushla Lavery unterrichtet an einer Grundschule in Belfast und kümmert sich um ihre alkoholkranke Mutter. Sie versucht nicht aufzufallen – „ein falsches Wort, schon findet man sich auf einer Todesliste wieder“ – und das Richtige zu tun. Doch nicht immer sind die beiden Ansätze deckungsgleich, zum Beispiel als sie einem Schüler, dessen Vater fast totgeprügelt wurde, hilft, was nicht alle mit Wohlgefallen betrachten. Und dann verliebt sie sich in einen Mann, der nicht nur verheiratet, sondern auch Protestant ist…

Für mich war es das erste Mal, dass ich mich an einem Roman über den Nordirlandkonflikt („The Troubles“) versucht habe. Wie zu erwarten war die Atmosphäre eher düster, beinahe trostlos grau. Umso dankbarer war ich über kürzere Stellen, die zum Schmunzeln einladen, z. B. müssen die Kinder zur Strafe einen bekannten Satz aus Bambi aufschreiben. Könnt ihr erraten welchen? 

Außerdem war ich überrascht, wie emotional die Geschichte ist, obwohl der Erzählstil eher wenig blumig ist. Mit Cushla konnte ich gut mitfühlen, sehr bewegt hat mich z. B. ihr Wunsch nach einem Namen, der ihre Konfession nicht preisgibt. 

„Aus Versehen“ habe ich nebenbei auch noch weitere Sachen gelernt. Ich kenne mich mit Stricken nicht aus, weiß jetzt aber, dass das Aran-Muster Seefahrer schützen sollte und jeder Teil für etwas steht (z. B. Zopfmuster = Netze der Fischer = Glück beim Fang). 

Besonders gelungen finde ich, dass wir am Beispiel verschiedener Figuren sehen, was die Ereignisse mit deren Leben und Wünschen anstellen. Was passiert mit Träumen und Hoffnungen? Wofür setzt man sich noch ein?

Insgesamt war ich die Geschichte sehr einnehmend und aufwühlend, sodass ich die Leseabschnitte gar nicht an einem Stück lesen konnte. Trotzdem (oder gerade weil es mich so erreicht hat) kann ich das Buch sehr empfehlen.