Rezension

Bleibt hängen

Epidemie - Åsa Ericsdotter

Epidemie
von Åsa Ericsdotter

Bewertet mit 4 Sternen

In Schweden ist seit einigen Jahren die Gesundheitspartei an der Macht. Mit dem Ziel ein „schlankes Schweden“ zu schaffen gehen immer haarsträubendere Maßnahmen einher. Arbeitsplätze sind gewichtsgebunden. Schlankheitspillen, Fettabsaugungen und Magenbänder sind schon für Grundschüler eine allgemein akzeptierte Lösung. Zucker wird stark besteuert und jeder annähernd pummelige Bürger wir schief angeschaut. Und das Ende der Fahnenstange ist noch längst nicht erreicht. Arsa Ericsdotter lässt sich immer drastischere Methoden einfallen, die einen beim Lesen ungläubig den Kopf schütteln lassen.

Nach jedem Zuklappen ist mir die Story immer noch eine Weile im Kopf herumgeschwirrt. Ich habe Gründe gesucht, warum das „bei uns“ nicht passieren kann. Oder warum es unrealistisch ist, dass so etwas in Schweden passiert. „Unmöglich“ hab ich gedacht. „Das geht nicht.“ Aber es geht eben doch. Es ging ja schonmal. Mit einem anderen Thema als dem im Roman wäre es in großen Teilen Europas zurzeit sogar gar kein Problem. Und das ist das eigentlich erschreckende an diesem Roman.

Den Charakteren – vor allem den weiblichen - bin ich gerne gefolgt. Die kleine Molly lockert die Geschichte etwas auf und auch ihre Mutter Helena hat mir mit ihrer anpackenden Art gut gefallen. Über Gloria habe ich besonders gerne gelesen. Selbst Ministerpräsident Johan Svärd, der den Anstoß für das ganze Grauen gegeben hat war interessant. Dagegen war Landon ein relativ blasser Hauptcharakter. Die Autorin sorgt anhand der verschiedenen Charaktere dafür, dass die „Epidemie“ aus verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet wird. Den Blickwinkel eines Gesundheitspartei-Wählers oder eines Arztes hätte ich noch interessant gefunden. Aber auch sowar es unterhaltsam und liest sich durch den lockeren und flüssigen Schreibstel sehr schnell weg.

Arsa Ericsdottir hat 100 Punkte für die Idee und die Drastik ihres Romans verdient. Ich hätte mir gerade zum Ende hin allerdings mehr und intensivere Eindrücke aus Helenas oder Glorias Perspektive gewünscht. Landons Verzweiflung mag realistisch sein, aber im Vergleich war seine Situation auch uninteressanter. Je nach Stimmung kann ich mich nicht ganz entscheiden ob Epidemie ein guter Thriller mit Potential zur Gesellschaftskritik ist oder ob es „nur“ ein guter Thriller ist, der schocken und unterhalten will und dazu ein möglichst sensibles Thema benutzt. Wie auch immer: Insgesamt ist Epidemie ein spannendes Buch, dessen Inhalt einen nicht so schnell loslässt und das zum Nachdenken anregt. Und denken schadet bekanntlich nie.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 06. März 2017 um 21:43

Das ist mal eine gute Rezension! (Ich bin schon auf Seite 105, aber durch andere Leseverpflichtungen kann ich nicht einfach so durchrauschen).

 

E-möbe kommentierte am 07. März 2017 um 09:00

Ja, krass.

Mir ging es übrigens mit Landon ähnlich. Als Hauptperson war er ziemlich langweilig, obwohl er ja auch so sein sollte. Und den Prolog fand ich zum Beispiel überflüssig.

katzenminze kommentierte am 07. März 2017 um 15:57

Ich zweifle gerade an meiner Geistesleistung. Ja, da war ein Prolog, aber ich hae gerade keine Ahnung mehr was drin stand! o.O

E-möbe kommentierte am 07. März 2017 um 17:48

Weil er so überflüssig war.

Psssst: Die Umstände von Landons Zeugung. ^^

katzenminze kommentierte am 07. März 2017 um 18:45

Achjaaaaaaa! XD Jetzt dämmert's.

E-möbe kommentierte am 09. März 2017 um 12:18

Wir sind nicht mal in der Leserunde so richtig zu einem Ergebnis gekommen, wozu der Prolog notwendig war. Um zu zeigen, warum Landon überhaupt Interesse an den USA hat und entsprechendes Studium aufgenommen hat? Um zu zeigen, dass da, wo einst ein "Bösewicht" herkam, jetzt die Retter auf ihrem Schimmel antraben? Wie gesagt: überflüssig, das einzig Ärgerliche an dem Buch.

Naibenak kommentierte am 03. April 2017 um 11:14

"Je nach Stimmung kann ich mich nicht ganz entscheiden ob Epidemie ein guter Thriller mit Potential zur Gesellschaftskritik ist oder ob es „nur“ ein guter Thriller ist, der schocken und unterhalten will und dazu ein möglichst sensibles Thema benutzt."

Lese es gerade und bin ganz gefesselt, weil es schon recht spannend ist! Dein Zitat kann ich derzeit 1 zu 1 auf mich übertragen *lach*. Bin noch nicht sicher, wie mein endgültiges Urteil lautet. Hab aber auch noch 100 Seiten Rest ;)

katzenminze kommentierte am 03. April 2017 um 16:30

Ich bin gespannt! :) Aber den Zeitpunkt zum lesen hast du denke ich gut gewählt: Gerade nach Thorpe und Bank ist so ein Pageturner doch ziemlich entspannend, oder?!

Naibenak kommentierte am 03. April 2017 um 17:11

Oh ja! Genau den Gedanken hatte ich auch heute wieder: so ein Thriller passt jetzt perfekt! Es lebe die Abwechslung ;-)