Rezension

Der gute Geist der Insel,

Pfaueninsel - Thomas Hettche

Pfaueninsel
von Thomas Hettche

Bewertet mit 5 Sternen

... das ist die kleinwüchsige Maria Dorothea Strakon. Sie und ihr ebenfalls zwergenhafter Bruder Christian sind Pfleglinge des Königs Friedrich Wilhelm III und wurden als Waisenkinder auf die Insel bei Potsdam gebracht. Sie verleben dort eine unbeschwerte und abgeschottete Kindheit. Die ersten Zweifel an ihrer Selbstvertsändlichkeit tauchen in Gestalt von Königin Luise auf. Sie erschrickt sich bei einem ihrer seltenen Besuche vor Christian und ihr entsetzt gemurmeltes "Monster" wird gehört und hinterlässt Spuren in den Köpfen beider Kinder. Während ihr Bruder die wilde Freiheit auf der Insel genießt, pendelt Marie zwischen den Repräsentationspflichten als Schlossfräulein und unbeobachteten Ausflügen in die Welt der Inselbewohner. Hierbei verliebt sie sich in den Sohn des Gärtners, der jedoch mit seinem Kopf zusehr den Pflanzen und Dingen zugewandt ist. Marie beschließt ein "Ding" zu sein.
Waren es bei Friedrichs Vater noch die Menschen, die zum königlichen Amusement -zum Kuriositätenkabinett- gehörten, will der Sohn dem Sittenverfall dieses Mätressen-Eilands mit exotischen Tieren und Pflanzen aus aller Welt beikommen. Er lässt die Pfaueninsel von Peter Joseph Lenné umgestalten. Das Herzstück wird das beheizbare Palmenhaus, in dessen Innern sich eine indische Mamorpagode befindet.
Fürstin Liegnitz feiert in diesem Prachtbau ein rauschendes Fest. Die Insulaner sollen sich verkleiden und beim Mummenschanz mitmachen. Christian, ganz in der Rolle des Hofnarrs, übertreibt sein Spiel und wird vom Gärtnerssohn in den Tod gestürzt.
Aber auch Maries Leben ändert sich radikal. Ihr Leben auf der Insel wird gezeichnet von Tod, Verlust und Umbrüchen. Das Schlossfräulein wird 80 Jahre alt und findet ihr Finale eben an der Stelle, an der ihr Bruder starb.
Hettche taucht ein in eine wundervolle, märchenhafte, aber auch geschichtlich belegte Welt auf diesem Eiland mitten in der Havel. Marie Strakon hat es wirklich gegeben, doch ihr Leben in diesem Roman ist Fiktion. Eine Fiktion, die alles aufgreift was diese Zeit von 1800 bis 1880 zu bieten hatte. Alle Fritzens mit ihren unterschiedlichen Moralvorstellungen, ein wenig Politik mit Frankreich und Russland, viel gesellschaftlicher Pomp mit Lenné und Schinkel, eine Cholera-Seuche, aber vor allem die wechselvolle Geschichte der Pfaueninsel in ihrer Hochzeit. Wer je die Insel schon besucht hat, schreitet mit Marie die Wege ab, kann das Palmenhaus erahnen, hört vielleicht sogar den Löwen brüllen, aber ist sich der Begegnung mit einem Pfau sicher.
Das Buch hat mich träumen, schnappatmen, kopfschütteln, aber vor allem Marie lieben lassen. Es war magisch.

Kommentare

gst kommentierte am 06. November 2021 um 14:44

Dank Deiner gelungenen Rezension wurde ich wieder an dieses geliebte Buch erinnert, das ich sicher nocheinmal esen werde.