Rezension

Die Neapolitanische Saga geht weiter!

Die Geschichte eines neuen Namens - Elena Ferrante

Die Geschichte eines neuen Namens
von Elena Ferrante

Bewertet mit 5 Sternen

   Unbedingt weiterlesen! Elena Ferrante knüpft an das Vorgängerbuch an und die Neapel-Saga um zwei Frauen geht weiter. Sie ließ "Meine geniale Freundin" mit offenem Ausgang, an einem dramatischen Wendepunkt enden. Dort fährt die italienische Schriftstellerin Elena Ferrante im zweiten Band ihrer Neapel-Tetralogie fort. Für mich ist es das beste Porträt einer Frauenfreundschaft. Die beiden haben es mir angetan, da Ferrante es vermag, diese starken und außergewöhnlichen Frauen in all ihren Facetten zu beschreiben, ohne dabei in die Klischeefalle zu tappen. In "Die Geschichte eines neuen Namens" werden Lila und Lenù älter, während sie die gegenseitige Rivalität, die ständige Sorge um Geld und die Machenschaften der Camorra-Mafia mal zueinander, mal auseinander treiben. Geschrieben aus Sicht der schüchternen aber klugen Elena Greco, genannt Lenù, schildert Ferrante auf mehr als 600 Seiten die Jugendjahre der zwei so unterschiedlichen Freundinnen aus einem ärmlichen Stadtteil in Neapel, die sich aller Zerwürfnisse zum Trotz über sechs Jahrzehnte lang nicht komplett aus den Augen verlieren sollen. Doch der Roman erzählt nicht die Geschichte einer harmonischen Freundschaft. Viel mehr geht es um die Gleichzeitigkeit von Zuneigung und Häme, Aufrichtigkeit und Lüge, Gönnen und Neid. Abgründe tun sich in Ferrantes Welt überall in den Straßen des "Rione" auf - begonnen am Ladentisch, zwischen Nachbarn, den besten Freundinnen und innerhalb Familien und Ehen. Der titelgebende neue Name birgt für Elena Ferrantes Romanheldin Lila Ungemach. Über Lila bricht das Unglück herein, als sie den Wurstwarenhändler Stefano Carraci heiratet. Gerade als sie ihren Namen Cerullo abgibt und - den im Titel besagten - neuen zu tragen beginnt, macht sie die bittere Beobachtung, dass ihr Mann gemeinsame Sache mit dem Camorra-Clan Solara macht. Und auch sonst sind Ehe, ihr neuer Reichtum, die Wohnung nicht das, was Lila und Lenù sich als spielende Mädchen im ersten Band der Saga ausmalten. Lila wird von Stefano misshandelt, wehrt sich vehement gegen eine Schwangerschaft, versucht, der Herrschaft und Brutalität des Mannes zu entkommen. Währendessen mausert sich Lenù zur Musterschülerin, sie liest und büffelt, verschafft sich durch Anerkennung der Lehrer Selbstvertrauen und kann zeitweise die Konkurrenz zu Lila, die längst nicht mehr die Schulbank drückt, vergessen. Doch das zwiespältige Verhältnis zu ihrer Freundin wirft sie immer wieder aus der Bahn. Die Gefühle für die Männer machen es nicht einfacher. Da ist Antonio, der ihr Freund wird, den sie aber nicht liebt, und der Interlektuelle Nino Sarratore, den sie anhimmelt, der aber unerreichbar zu sein scheint. Doch das Erleben von Elena Greco ist untrennbar mit Lilas verbunden. Ferrante räumt dem Leben der Ich-Erzählerin fernab der Freundschaft wenig Platz in dem Buch ein. Es sind einige wenige Kapitel, in denen es ausschließlich um Lenùs Schulzeit und ihr Studium in Pisa geht. Egal, ob es Momente sind, die die beiden Freundinnen teilen oder solche, die sie getrennt voneinander erleben. Lenù weiß sie alle zu schildern. Sie liest geheime Aufzeichnungen von Lila, erfährt Geschehenes von Bekannten. So gelingt es Ferrante, die erdrückenden Gefühle der Ich-Erzählerin trotz der Distanz zum Grund dafür, Lila, zu schildern. Der Roman ist leicht geschrieben und erzählt mit einem Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Herausragende Schilderungen des Lebens in einem prekären Viertel Neapels, und eine schonungslos ehrliche Analyse dieser Mädchenfreundschaft, eine schöne Sprache, ein schier unerschöpfliches Repertoire an vielschichtigen, außergewöhnlichen Charakteren, eine besondere Atmosphäre und nicht zuletzt natürlich eine gute Story. Ein faszinierendes Portrait einer lange dauernden Freundschaft. Ein Gipfelwerk der zeitgenössischen Literatur. Und einen Roman, den man erschüttert und begeistert liest! Ein Lesegenuss!