Rezension

Die Spur zu dramatisch

Alligatoren - Deb Spera

Alligatoren
von Deb Spera

Bewertet mit 4 Sternen

Dieses Buch ist erfreulich anders als die historische Massenware, die die Buchläden überschwemmt. Im tiefsten Süden Amerikas in den 20er Jahren tummelt man sich nicht so oft. 

Alligatoren lauern in den Sümpfen in South Carolina, wo Gertrude mit ihren Töchtern lebt. Man muss sich in Acht nehmen, auch vor Alvin, Gertrudes Mann.
Annie hat es besser getroffen als Missus auf der Plantage, nur musste man seit der Baumwollkäferplage auf Tabak umsatteln. 
Und Oretta, die Köchin, muss ihre Familie ernähren, seit ihr Mann ein Bein verlor. Seit Jahrzehnten kocht sie für die weiße Herrschaft und weiß alles über sie. 

Diese drei Frauen erzählen von besonders harten Zeiten in ihrem Leben aus ganz unterschiedlicher Sicht, stellen sie doch einen repräsentativen Querschnitt durch die Gesellschaft dar, eine weiße Plantagenbesitzerin, eine arme Weiße und eine schwarze Bedienstete. 
Deb Spera erzählt sehr schön, man kommt ihren Figuren schnell nahe, leidet mit, spürt Südstaatenatmosphäre überall, heiße Schwüle, staubige Straßen, Moskitoschwärme, die Grandesse vergangener Großgrundbesitzerzeiten neben einer beginnenden Wirtschaftskrise. 

Sehr viele Themen sind in dieser dramatischen und anrührenden Geschichte verpackt. Es geht um die Rechte der Frauen, die in den 20er Jahren noch immer vom Wohlwollen der Männer abhängen. 
Die Sklaverei ist abgeschafft, aber in den Köpfen der Menschen existiert sie noch. Schwarze sind noch immer Bürger zweiter Klasse, trotzdem rettet Oretta ihre Ladies immer wieder aus prekären Situationen. Können Schwarze und Weiße Freunde sein? 
Und als wäre das noch nicht genug, bekommen wir es hier auch noch mit Kindesmissbrauch zu tun, eine Epidemie geht um, ein Unwetter zerstört alles… und das ist mein Kritikpunkt. Hier passiert alles, was einem so passieren kann und das ist einfach zu viel. Natürlich ist es maximal leidvoll und nimmt mit. Aber nach dem Lesen dieses Buches habe ich das Gefühl, eine Riesenkatastrophe überlebt zu haben. Das ist kein schlechtes Gefühl, aber lieber wäre ich erschüttert durch Missstände, die man mir plastisch vor Augen führte, was dieses Buch wunderbar täte, wäre die Botschaft nicht von Dramen aller Arten überdeckt. 

„Alligatoren“ ist ein schön erzählter historischer Roman, der kurzweilig ist und fesselt. Bisweilen schießt er ein wenig über das Ziel hinaus, ist aber dennoch empfehlenswert. 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 06. Februar 2019 um 18:34

haha. Ja zuviel. Viele Autoren erliegen dieser Versuchung. Klingt trotzdem ganz nett.