Rezension

Drei Frauen, drei Zeiten und ein toller Schreibstil

Unter dem Moor -

Unter dem Moor
von Tanja Weber

Frauenschicksale - DDR - Nazizeit - Landarbeitsjahr - Burnout - Gewalt - Landschaft - Stettiner Haff - Ostsee - Ruhe - Zu sich selbst finden - Leiche im Moor - Hund - neue Wege gehen - Widerstand gegen Staat - Landschaft am Oderhaff - Moorlandschaft

In zwei Tagen habe ich das Buch ausgelesen, jede freie Minute genutzt. Was gibt es Besseres über einen Roman zu sagen? 

Eher zufällig bin ich auf dieses Buch aufmerksam geworden, die Stimmen waren positiv und deshalb habe ich es mir auf den Tolino geladen. Und ich muss sagen: Ich bin sehr begeistert! Viel Zeitgeschichte, aktuelle Themen und dann mochte ich natürlich, dass die Protagonisten und die Zeiten sich abwechselten.  Das erhöht für mich stets die Spannung. Es geht um drei Frauen, einmal Heute, einmal in der Nazizeit und einmal Ende der 70er Jahre in der DDR. Handlungsort ist vor allem das Stettiner Haff, eine wunderschöne, ruhige und einsame Landschaft, heute an der Grenze zu Polen gelegen. Kraniche, Wölfe und viele weitere Tiere leben in dieser sehr besonderen Naturlandschaft, die auch die Atmosphäre des Romans prägt mit der Weite des Himmels, der Einsamkeit, der Nähe zum Meer, den Stürmen und den hübschen Stränden und den heißen Sommern. Hierher zieht sich im Frühherbst die junge Ärztin Nina zurück. Sie ist erschöpft. Zu viele Dienste während der Corona Zeit in der Charité, zu wenig Freude. Nina kündigt, nimmt sich  eine Auszeit und fährt mit ihrem neu erworbenen Hund ans Haff. Dort findet ihr Hund alte Knochen....Menschliche Knochen.

1936 ist Gine in der gleichen Gegend, sie wurde dorthin zum Landarbeitsjahr abkommandiert und leidet unter der schweren Arbeit und unter der strengen Zucht der Nazi-Aufseherinnen. Und dann passiert etwas Schreckliches....  1979 wohnt die junge Mutter Sigrun mit Mann und Sohn am Haff und hat eine verbitterte Schwiegermutter, die alten Zeiten nachtrauert, während Sigrun sich nach mehr Freude und Leichtigkeit im Leben sehnt....

Ich fand die jeweiligen Zeiten, die damit verbundene Problematik und die Situation der Frauen sehr gut dargestellt, abseits von rein klischeehaften Beschreibungen, mit viel Tiefe. Besonders gelungen fand ich (in Nachhinein betrachtet) die Analyse bezüglich Nina, einer modernen jungen Frau, beruflich erfolgreich, die scheinbar immer alles richtig gemacht hat und dann nach der Pandemie nicht mehr in ihr altes Leben zurück kann/will/möchte. Ein interessanter Aspekt, weil tatsächlich aktuell viel über Erschöpfung, Burn-out, Work-Life-Balance und über den Sinn des Lebens sinniert wird, gerade bei jüngeren Menschen. Die Pandemie hat anscheinend viele Werte verschoben und die alten Lebensentwürfe scheinen nicht mehr passend zu sein. Fand ich sehr aufschlussreich. Die Probleme von Gine, deren Eltern Künstler sind und mit dem Nazi-Regime hadern, waren da schon klassischer. Ihre Überlebensstrategien jedoch sehr individuell ausgearbeitet. Ein wenig Probleme hatte ich mit Sigrun, die in der DDR lebt, dort gerne lebt, sich aber mehr "Farbe" im Leben wünscht. Okay... sie ist noch jung. Ihre Geschichte fand ich trotzdem nicht ganz rund, vor allem zum Ende hin.  Es gibt einiges an Tragik in diesem Buch, aber auch viele schöne Momente. Beleuchtet wird auch die Frage, ob sich Schuld, die sich über Generationen anhäuft, irgendwann rächt....

Zusammenfassend: Chapeau! Ein ganz tolles Buch. Unterhaltsam, spannend und gleichzeitig zum Nachdenken anregend. Sehr empfehlenswert.