Rezension

Düster, mystisch, außergewöhnlich

Unser Teil der Nacht -

Unser Teil der Nacht
von Mariana Enriquez

Bewertet mit 5 Sternen

Juan und Gaspar - einer liebevolle Vater-Sohn-Beziehung folge ich. Gleich die ersten Seiten nahmen mich gefangen, ich wollte mehr wissen und doch konnte ich hier schon erahnen, dass nicht alles rational erklärbar sein wird. Marina Enriquez entführt ihre Leser nach Argentinien, in ein Land der Extreme und in eine Zeit, in der Säuberungsaktionen Leute spurlos verschwinden ließ. Es sind die Jahre der Militärjunta.

Vordergründig ist es eine Familiengeschichte, die doch so viel mehr ist – die Geschichte einer Familie und deren Mitglieder, die zur reichen Oberschicht gehören, die sich in einem internationalen Zirkel aus Geld, Privilegien und Beziehungen bewegen.

Die Autorin ist Argentinierin und verrät, dass ihre Obsession der Okkultismus im weitesten Sinne ist und sie schreibt darüber, gibt den Mythen ihres Landes reichlich Platz. Der blinde Fanatismus in all seinen Auswüchsen dient als Metapher dessen, was in den lateinamerikanischen Diktaturen geschah.

Eine Düsternis tut sich auf, überall herrscht Dunkelheit, es ist mystisch, ja surreal, rational so gar nicht zu greifen und zu begreifen. Der Orden folgt seinen ganz eigenen Regeln, das Medium laugt sich aus, setzt seine Krallen an, sie gehen verletzt und doch beseelt daraus hervor. Das hört sich geheimnisvoll an, eher noch unwirklich und übernatürlich, ja irrational. Ich kann kaum glauben, was hier steht und will doch wissen, wie es ihnen allen ergehen wird, wie weit sie noch gehen werden, gehen müssen. Bei so manchen Szenen möchte ich laut aufschreien, bin entsetzt ob der Grausamkeiten, ihre Rituale lassen mich hart schlucken.

„Unser Teil der Nacht“ ist in sechs ganz unterschiedliche Abschnitte gegliedert. Kurze und relativ lange, intensive und sehr informative Abschnitte, in denen man eine tiefe Liebe spürt wechseln sich ab mit gnadenloser Härte, in denen man keinerlei menschliche Regung mehr wahrnimmt, jede für sich hat ihren ganz eigenen Reiz.

Jede einzelne der hier agierenden Personen hat etwas Abstoßendes, keiner ist von Grund auf sympathisch, keinen möchte ich in mein Leben lassen. Und doch waren sie mir nahe. Zumindest einige davon auf eine ganz eigenartige Weise.

Mariana Enriquez erzählt von Argentiniens dunklen Zeiten. Von einem skrupellosen Orden, der durch grausame Rituale das Geheimnis des ewigen Lebens zu entschlüsseln versucht. Eine verstörende, alles einnehmende, zuweilen unerträgliche Geschichte die Zeit braucht, die nicht wie nebenbei gelesen werden kann.

Ein fesselnder Roman vor ernstem Hintergrund, der seine Leser fordert. Magisch, mystisch, einzigartig.