Rezension

Roman-Trip

Unser Teil der Nacht -

Unser Teil der Nacht
von Mariana Enriquez

Bewertet mit 4 Sternen

Unser Teil der Nacht / Nuestra parte de noche / Our share of night

Was für ein Roman-(Horror)-Trip... emotional-bizarre Familiensaga, quer durch Argentinien zwischen Realität und Horror, Traum und Alptraum.
Ich habe schon lange keinen so mysteriösen und spannenden Roman gelesen. Gerne würde ich die Autorin persönlich interviewen zu ihrer Inspiration und kreativen Quellen. Mariana Enriquez nimmt die Leserin an der Hand, führt sie konsequent und ohne jegliche Eile durch ihre Geschichte und lässt am Ende nicht wirklich los. Beinahe erschreckend, so wie der Roman, der faszinierend jongliert mit alltäglichen und besonderen Beschreibungen, Menschen und ihren Beziehungen und unglaublichen Ereignissen. Erzählerisch unaufgeregt, immer fesselnd gleitet er von Realität zu Phantastischem, vom Alltag zum Grausigen und wieder zurück. Im Kern des Romanes treibt ein alter Orden sein Unwesen. Zwei alte Familien, reich und mächtig, ohne Skrupel, suchen den Kontakt zur Dunkelheit und Unsterblichkeit. Vor allem zwei alte Frauen, macht-bewusst und -besessen verkörpern das menschliche Böse. In ihrem Bann finden sich unzählige Opfer und die jüngeren Nachkommen, die um einen eigenen Weg im und ausserhalb des Ordens ringen. Nur langsam erschliesst sich diese düstere Erzählung in der die Dunkelheit im Vordergrund greifbar wird. Und im Hintergrund die brutale Geschichte Argentiniens, Ende der siebziger bis in die unruhigen neunziger Jahre, die einen wie die Roman-Handlung immer wieder erschauern lässt. Ausgelebter Sadismus im Namen des Orden und der Terror der Militärjunta bedienen sich gegenseitig und überschneiden sich grauenvoll. Was kann dem widerstehen? Die Liebe? Eine besondere Kraft? Das steckt auch im Kern des Romanes, die Liebe und der Beschützerinstinkt eines Vaters, eines Onkels und liebende Freundschaft. Licht in der Dunkelheit. Meine Güte. Gut und versiert erzählter Roman, harsche Realität, Literatur und Horror. Das Befürchten und eigentlich wissen, dass die Grenzen zwischen realem und fiktivem sehr dünn sind und beide Versionen sich hier und da nur wenig unterscheiden ist der eigentliche Alptraum.
Triggerwarnung: Roman enthält explizite gewaltätige, sadistische, grauenvolle Elemente und Szenen.
 

Our share of night to bear
Emily Dickinson

Our share of night to bear,
Our share of morning,
Our blank in bliss to fill,
Our blank in scorning.

Here a star, and there a star,
Some lose their way.
Here a mist, and there a mist,
Afterwards—day!