Rezension

Dystopie?

Die Markierung -

Die Markierung
von Frida Isberg

Bewertet mit 4 Sternen

Vor zwei Jahren hätte ich dies unter "unwahrscheinliche Dystopie" abgelegt. Seit Corona scheint vieles auf beängstigende Weise nah. So auch das Szenario, das sich Frida Isberg für ihren Roman "Die Markierung" erdacht hat.

Island, irgendwann in der Zukunft. Um die öffentliche Sicherheit zu stärken, sind bestimmte Areale nur noch für markierte Menschen zugänglich, deren Vertrauenswürdigkeit durch einen Empathie-Test nachgewiesen wurde. Bei den anstehenden Wahlen entscheidet sich, ob die Markierung gesetzlich verpflichtend wird.

Was genau bedeutet Sicherheit? Was ist sie uns wert, wenn wir die Nachteile von Maßnahmen aufrechnen? Alles auf der Welt hat zwei Seiten. 

Frida Isberg gibt keine konkreten Antworten, sondern lässt uns das Markierungssystem aus der Perspektive mehrerer Protagonist*innen (im Kern vier!) erleben. Mit Beschreibungen ist sie sparsam. Wir werden ins kalte Wasser geworfen, müssen uns die Figuren, ihre Charaktere und Erlebnisse erarbeiten. Auch das dystopische Setting ist nicht ausformuliert. Tests, Kameras, Chips und Armbänder (?), Holomasken - sowas in der Art.

Auf die Details kommt es im Grunde nicht an. Technisch ist vieles machbar, das wissen wir. Frida Isberg geht es darum, hinzuschauen: Was passiert hier? Was macht es mit den Menschen? Und da sieht man so einiges. Allerdings wenig Gutes: Misstrauen und Angst gegenüber unmarkierten Mitmenschen, aber auch Furcht, durch den Test zu fallen, aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden, sozial abzusteigen.

Beim Thema Sicherheit lässt sich der Mensch gerne von Emotionen leiten. Was daraus erwachsen kann, ist beängstigend und mitunter unmenschlich. Und: Immer dann, wenn wir mit den Finger auf andere zeigen, könnte schon jemand hinter uns stehen, der auf uns selbst zeigt. "Die Moral ist der Heiligenschein des Scheinheiligen", heißt es. Dem würde ich zustimmen. Aber das ist mein persönliches Fazit. Frida Isberg lässt in diesem beklemmenden, aber leicht zu lesenden und erschreckend nahen Zukunftsszenario Raum für andere. Kleiner Punktabzug, weil ich mir stellenweise mehr Feinheiten, mehr Beschreibungen gewünscht hätte. Nicht viele, nur ein paar.