Rezension

Spannende Utopie. Oder Dystopie?

Die Markierung -

Die Markierung
von Frida Isberg

Bewertet mit 4 Sternen

Ein Empathietest und Technologien sollen Menschen in zwei Gruppen teilen und voneinander trennen. Für die einen bedeutet es mehr Sicherheit, für die anderen Diskriminierung und Ausgrenzung. Aber den Test zu verweigern bedeutet möglicherweise auch den Kampf um die persönliche Freiheit.

Es gibt viele Parallelen zu den immer noch aktuellen Diskussionen zu Coronaregeln, die ebenfalls die Gesellschaft spalten. Bedeutet persönliche Freiheit maximalen Egoismus und Rücksichtslosigkeit? Oder ist die Freiheit aller größer, wenn sich alle ein bisschen einschränken? Ist psychologische Unterstützung wirklich eine Hilfe oder ist sie Gehirnwäsche, damit man gesellschaftskonform funktioniert? Und wie sieht es mit Diskriminierung und Ausgrenzung aufgrund von Eigenschaften statt Entscheidungen aus? Wie kann und soll eine Gesellschaft damit umgehen?

Im Buch gibt es vier Hauptcharaktere: die Lehrerin Vetur, die rücksichtslose Geschäftsfrau Eyja, den Psychologen/Politiker/Testbefürworter Olafur und den Jugendlichen Tristan. Man erfährt, was der Test für sie bedeutet und lernt ein paar Vor- und Nachteile der Markierung (mit deren Hilfe Nichtmarkierte aus bestimmten Bereichen mithilfe von Technologien ausgeschlossen werden) kennen.

Mir gefällt am Buch, dass mit Ausnahme von Eyja, die charakterlich wirklich ziemlich neben der Spur ist, keiner nur gut oder schlecht ist. Mir gefällt auch das relativ offene Ende, was es dem Leser überlässt, sich selbst weiter Gedanken zu machen, ob das grundsätzlich ein guter Ansatz für eine bessere Gesellschaft sein könnte, der nur noch ein paar auszumerzende Schwachpunkte hat, oder eben nicht und daher völlig abzulehnen ist. Spannend ist auch, dass die im Buch diskriminierte Gruppe (vermeintlich oder tatsächlich) in unserer heutigen Gesellschaft üblicherweise die privilegierte Gruppe ist, die selbst wenn sie nicht aktiv an der Diskriminierung beteiligt ist, doch häufig von der Diskriminierung anderer profitiert.

Neben den Geschichten der Hauptcharaktere, die nach und nach auch miteinander in Beziehung gesetzt werden, findet ein Buch auch ein Briefwechsel zwischen zwei langjährigen Freundinnen statt, bei dem es darum geht, ob und wie diese Freundschaft trotz der Meinungsverschiedenheit über die Markierungspflicht aufrecht erhalten werden kann. Unabhängig vom konkreten Thema der Meinungsverschiedenheit, lässt sich die Argumentation der beiden Freundinnen auch auf viele andere kontroverse Themen übertragen. Durchaus weiterer Stoff zum Nachdenken und dazu, sich selbst zu hinterfragen.

Für mich ist es ein spannendes Buch gewesen. Tatsächlich mal etwas anderes und ich würde gern mehr in dieser Art, aber ungern eine Fortsetzung dieses Buchs, lesen. Punktabzug gibt es, weil ein paar Sachen doch ein bisschen mehr hätten auserzählt werden können, und weil aus meiner Sicht etwas zu sehr hervorgehoben wurde, was dann am Ende doch ohne jede Bedeutung war (Äpfel).

Kommentare

Sursulapitschi kommentierte am 11. Oktober 2022 um 18:27

Ja, die Äpfel, das stimmt, die hat man uns vorgehalten und dann waren sie weg.