Rezension

Ein bayerischer Ermittler in Italien

Die Krieger
von Martin Maurer

Bewertet mit 4.5 Sternen

Vor 40 Jahren muss es im Münchener Rotlichtmilieu noch recht beschaulich zugegangen sein. Als es zwischen rivalisierenden Zuhälterbanden auf dem Straßenstrich offenbar zu einem Brandanschlag kommt und eine Diskothek im Bahnhofsviertel in Flammen aufgeht, scheinen diese idyllischen Zeiten vorbei zu sein. Kriminalkommissar Nick Marzek ist frisch aus Berlin nach München „zugereist“ und bayerische Lebensweise ist für ihn noch immer ein Buch mit sieben Siegeln. Als er zum Anschlag auf das „Liverpool“ ermittelt, muss er sich von seiner Zeugin unverblümt sagen lassen, dass er über Interna des Rotlichtmilieus und Verbindungen zwischen Milieu und Polizei völlig ahnungslos ist. Ein Bekennerschreiben an eine italienische Nachrichtenagentur legt schließlich eine Schwäche der Münchener Kripo bloß – in der europäischen Zusammenarbeit bei Ermittlungen gibt es offenbar noch keine Routine. So reist Marzek gemeinsam mit Graziella Altieri nach Mailand, der Reinigungskraft des Polizeipräsidiums, die noch nicht einmal als Dolmetscherin vereidigt ist. Über Italien weiß Nick noch weniger als über München, so dass er dringend Graziellas Betreuung braucht, um in italienischen Amtsstuben nicht in ein Fettnäpfchen nach dem anderen zu treten. Nach und nach erfährt er von Graziella, wie sie sich als Alleinerziehende mit Baby anfangs in Deutschland durchschlug, aber auch, warum in bestimmten Kreisen in Italien Nazi-Symbole hoch angesehen zu sein scheinen.

Das ungewöhnliche Team aus München stößt  auf eine Serie von Anschlägen  in Norditalien seit den 70er Jahren, bei deren Aufklärung die italienischen Ermittler nicht gerade vor Ehrgeiz glänzten.  Die Ähnlichkeiten zum Brand in der Münchener Diskothek sind für die italienischen Kollegen neu, allerdings zeigen die Taten in Italien zusätzlich die Handschrift rechtsextremer Kreise.  Die Sache um die Gruppe „Ludwig“ wird so heiß, dass Nick bereits Kontakt zu einem vereidigten Italienisch-Übersetzer aufnimmt. Was der Mann jedoch nicht zu bieten hat, ist Graziellas Raffinesse in Alltagsfragen und ihr Talent,  Fakten knapp zusammenzufassen. Ohne beides wäre Nick aufgeschmissen. Schließlich kommt es zur Kooperation mit einem pensionierten Polizisten, dem die vielen Opfer  der Anschläge keine Ruhe gelassen haben.

Martin Maurer siedelt seinen komplexen Krimi um Nick Marzek und seine ungewöhnliche Kollegin Graziella hauptsächlich in Norditalien an im Jahrzehnt des Papst-Attentats und des Anschlags in Bologna. Weil Nick als Neuer über München und auch über  die Arbeitsweise der italienischen Polizei noch viel zu lernen hat, verpackt der Autor seine Infos geschickt in Graziellas interkulturelle Fortbildung über ihre Heimat. Manches fragt oder erwartet man in Italien eben besser nicht. Wie in einer Zeitreise führt Maurer seine Leser zu geheimen Logen und Verschwörungstheorien, aber auch in ein Jahrzehnt, in dem im Beruf  hemmungslos gequalmt wurde und in dem man eine Telefonzelle brauchte, um von unterwegs anzurufen. Insgesamt erfordert die Handlung einige Geduld bis zur Auflösung der Zusammenhänge. Wie er einen authentischen Fall mit weitgehend fiktiven Figuren kombiniert hat, erläutert Maurer im Nachwort.