Rezension

ein Buch das den Leser atemlos und berührt zurücklässt

Ein ganzes Leben
von Robert Seethaler

Bewertet mit 5 Sternen

Ein ganzes Leben passt in dieses 155 Seiten starke Buch, das berührt und zeigt, dass es immer noch" die ganz besonderen Bücher" gibt. Robert Seethaler hat nach seinem Buch " Der Trafikant " mit dieser Geschichte etwas ganz besonderes geschaffen. Ein leises Buch, das man zur Seite legt, aber ganz gewiss nie vergisst.

Andreas Egger kommt Anfang des 20. Jahrhunderts als vierjähriger in das Dorf, in dem er bis zu seinem Lebensende leben soll. Mit Widerwillen wird er von seinem Onkel ,einem Bergbauern, aufgenommen und als Arbeitskraft eingesetzt. Da Andreas zu einem kräftigen Junger heranwächst, werden ihm viele Arbeiten angetragen, die er auf Grund seines Alters eigentlich noch gar nicht bewältigen kann, doch Andreas verrichtet ohne zu Murren die ihm aufgetragenen Aufgaben. Nur einmal widersetzt er sich seinem Ziehvater. Als dieser ihn, wie schon so oft, wegen einer Kleinigkeit körperlich züchtigen will. Es ist das letzte Mal , dass er dazu Gelegenheit hat, denn Andreas verlässt das Haus, in dem er als Kind zum Krüppel geschlagen wird. An ein karges Leben gewöhnt, verdingt sich Andreas als Hilfsarbeiter einer Firma , die die ersten Seilbahnen in der Bergregion baut und die Elektrizität ins Dorf bringt. Er kauft sich ein kleines Stück Land, repariert das auf dem Grundstück stehende einfache Haus und lernt später die Liebe kennen, die in der Person Marie in sein Haus zieht. Durch einen Lawinenabgang verliert er alles, zieht später in den Krieg, um danach in sein altes Dorf zurückzukommen und dort als Fremdenführer sein Geld zu verdienen. Doch irgendwann reicht auch bei Andreas Egger die Kraft nicht mehr aus und er wird neben seiner Frau Marie mit 78 Jahren begraben.

"Ein ganzes Leben" ist ein Buch, dass ohne spektakuläre Handlung auskommt , aber eine Geschichte, die gerade , weil sie so einfach und leise ist, berührt. Das Leben als einfacher Mensch in den Bergen, im Einklang mit der Natur, aber auch mit deren Gefahren lebend, wird einfühlsam erzählt. Kein Klagen über das karge Leben, über seine körperliche Einschränkung oder den Tod seiner Liebe, sondern immer zufrieden mit allem was ihm zur Verfügung steht, lebt Andreas sein Leben und das ohne einen richtenden Gott als Ausrede zu benutzen.
Für mich war dieses Buch sehr atmosphärisch, denn man kann sich die Landschaft, mit der Andreas fast verwächst , gut vorstellen. Der Blick auf die Berge, die frische Luft und die Weite, die unabdingbar mit dem Protagonisten dieses Buches verbunden sind und die ihm wichtiger sind als Geld und Hab und Gut.
Genauso karg wie das Leben von Andreas Egger ist auch seine Sprache. Nur einige Jahre zur Schule gegangen und ansonsten nur den Hof seines Ziehvaters und das Dorf kennenlernend, wundert man sich, dass er es geschafft hat seine Marie zu heiraten und mit ihr zu leben. So ein bisschen hat mich die Schilderung der Figur an den Großvater bei der Heidi denken lassen und ich denke, das Leben auf dem Berg sah auch ähnlich aus.

Dieses Buch ist ein kleines dünnes Buch, das aber mehr Aussagekraft hat als so viele andere Bücher, die mehr als 500 Seiten füllen. Robert Seethaler ist damit ein Buch gelungen, das man sich wirklich nicht entgehen lassen soll.