Rezension

Eine große Rolle für H. G. Wells

Die Landkarte der Zeit
von Félix J. Palma

Bewertet mit 3 Sternen

Eine große Rolle für H. G. WellsDas Buch spielt Ende des 19. Jahrhunderts in London. Es besteht aus drei Teilen – drei schicksalshaften Geschichten. Im ersten Teil trauert der Adlige Andrew um seine Geliebte, eine Prostituierte, die von Jack the Ripper ermordet wurde. Mit Hilfe der Agentur Zeitreisen Murray reist er in die Vergangenheit, um Marie zu retten. In der zweiten Geschichte geht es um die junge Claire, die sich in der viktorianischen Epoche nicht wohlfühlt und deshalb lieber im Jahr 2000 leben möchte. Dort verliebt sie sich in den feschen Hauptmann Shackleton. Im letzten Teil schließlich werden drei Morde verübt, und zwar mit Waffen, die 1896 noch nicht erfunden waren. Inspektor Garrett hat einen Verdacht…
Wie ein roter Faden zieht sich H. G. Wells, der Autor des 1895 erschienenen Romans Die Zeitmaschine, durch alle drei Teile. Dabei wird die Rolle, die er spielt, immer größer. Die Landkarte der Zeit, die dem Buch den Titel gab, nimmt leider einen relativ kleinen Raum ein.
Ich habe lange überlegt, wie ich das Buch bewerten soll, da meine Gefühle wirklich zwiespältig sind. In mancher Hinsicht fand ich es genial, in anderer einfach nur naja.
Die Handlung wird von einem allwissenden Erzähler geschildert. Dabei wird der Leser auch immer wieder direkt angesprochen. Bei mir hat das leider eine Distanz zur Geschichte bewirkt, ich konnte nicht richtig eintauchen, da der Erzähler zwischen den Protagonisten und mir stand. Außerdem ist die Handlung über weite Teile relativ banal und vorhersehbar. Überraschend und interessant sind lediglich die letzten ca. 150 Seiten. Das heißt, ich habe mich erst durch gut 550 Seiten langatmige Langeweile kämpfen müssen. Der Schreibstil ist schon etwas Besonderes, sehr gehoben, zuweilen sogar fast poetisch. Ellenlange Bandwurmsätze erleichtern das Lesen nicht gerade, äußerste Konzentration ist gefragt.
Was mich aber wirklich begeistert hat, ist die meisterhafte Art, mit der Félix J. Palma die Fäden von Anfang bis Ende zu einem großen Ganzen verknüpft. Da passt alles zusammen, baut logisch aufeinander auf. Es gibt keine Ungereimtheiten, alles löst sich auf. Leider erkennt man das erst ganz am Schluss, wenn man das Buch nicht schon vorher entnervt abgebrochen hat.