Rezension

Eine sehr spezielle Lebensgeschichte

Die Marschallin - Zora del Buono

Die Marschallin
von Zora del Buono

Familie kann man sich nicht aussuchen, sagt man so ja gerne. Man wird in sie hineingeboren und muss dann mit dem Erbe, das sie einem hinterlässt seinen eigenen Weg finden. In den meisten Familien ist dieses Erbe ziemlich trivial, vielleicht eine Tante, die etwas gaga im Kopf war, oder ein Onkel mit Hang zum Alkohol. In dieser Familie ist das Erbe schon etwas bedeutender und schwerer und dieses Buch dient der Autorin vielleicht in gewisser Weise dazu etwas persönliches aufzuarbeite und zu reflektieren, aber vielleicht auch dazu, den Blick auf einen dunklen Punkt in der jüngeren Vergangenheit zu lenken. 

Die Autorin ist die Enkelin von Zora del Buono und trägt auch deren Namen, ein Name, der den Trägerinnen wohl nicht unbedingt Glück bringt, generell sind schon mehrere Familienmitglieder nur bedingt mit Glück gesegnet, gab es doch eine ungewöhnliche Häufung von plötzlichen Todesfällen, in denen meist ein Auto eine Rolle spielt. Von diesen Begebenheiten erfährt der Leser aber erst im zweiten Teil des Buches genaueres. Dem zweiten Teil, der nur wenige Seiten ausmacht und in den achziger Jahren angesiedelt ist, die Großmutter krank und vereinsamt im Monolog mit ihrer tauben Pflegekraft im Altersheim. Der erste Teil dagegen nimmt fast das gesamte Buch ein und beschreibt das Leben der Zora Del Buono, ihre Kindheit und Jugend in Slowenien, den Krieg, die Bekanntschaft mit ihrem späteren Mann bis hin zu ihrem Leben als Arztgattin, Mutter, Vorstand eines riesigen Hauses und ganz zu vorderst glühende Kommunistin. Eine Gesinnung, die der Leser angesichts des Lebenswandels der Familie nur schwer einordnen kann.

Generell ist das Buch sehr von Politik und dem damaligen Zeitgeschehen geprägt, weniger von direkten Familiengeschichten. Aber so war nun eben das Wesen von Zora Del Buono, die glühend für ihre Sache kämpfen konnte, ihre Kinder aber mit Nummern ordnete, die ihre Zuneigung als Mutter zu ihnen deutlich machte. Der Enkelin gelingt es gut das Wesen ihrer Großmutter einzufangen, ihr Leben wird in Episoden geschilder, die oft zeitlich weit auseinander liegen und oft ohne jede erkennbare Reihenfolge aneinandergereiht sind. Erzählt werden diese Episoden durch verschiedene Personen, mal kommt Zora selbst zu Wort, mal ihr Ehemann, mal ein anderes Familienmitglied. Obwohl die Lebensgeschichte sehr interessant ist, zog sie sich doch manchmal etwas in die Länge und driftete in politische Diskussionen ab, die ich dann eher überlesen habe.

Das Buch ist gut geschrieben und über weite Strecken gut zu lesen. Die Hauptfigur ist natürlich im Vordergrund, ihr Wesen gut beschrieben, andere Familienmitglieder bleiben aber oft blass und bloße Randfiguren. Die Einblicke in die düsteren Kapitel italienischer Geschichte waren sehr interessant und zeigen eindringlich, wie tief der Faschismus nicht nur Deutschland zersetzt und ins Unglück gestürzt hat. 

Die Autorin beschreibt eine polarisierende Persönlichkeit, mit der nicht nur die eigene Familie bis heute hadert, sondern auch der Leser. Ein schwieriges Erbe, über das wohl noch lange nicht alles in diesem Buch erzählt ist.