Rezension

Geschichte im Zeitraffer

Die Marschallin - Zora del Buono

Die Marschallin
von Zora del Buono

Bewertet mit 2 Sternen

Bovec 1919, ein kleiner Ort in Slowenien, ein Ort, der auch einen deutschen und einen italienischen Namen trägt. Die Welt ist im Wandel. Die Wunden, die der erste Weltkrieg dem Ort und seinen Bewohnern zugefügt hat, sind lange noch nicht verheilt. Die junge Zora Ostan trifft dort auf den jungen Arzt und Sanitätsoffizier Pietro del Buono. Die beiden werden ein Paar, heiraten, ziehen nach Bari, die Heimatstadt Pietros. Während Pietro als Professor der Radiologie Erfolg hat, zieht Zora drei Söhne auf. In der Ära Mussolino treten sie in den Widerstand gegen Duce. Die del Buonos sind überzeugte Kommunisten, Zora glühende Verehrerin von Josip Broz, besser bekannt als Marschall Tito.

„Vergiss nicht, du trägst ihren Namen“ – So beginnt der Roman „Die Marschallin“, den Zora del Buono über das Leben ihrer Großmutter geschrieben hat. Geschichte schreiben meistens die Gewinner, oder in diesem die Fall die Nachkommen. So mag es sein, dass die Beschreibung der Zora del Buono (der Protagonistin) nicht besonders positiv gefärbt ist, von den Geschichten die von deren ungeliebten Schwiegertöchter kolportiert wurden. Zora war eine schwierige Frau in schwierigen Zeiten. Eine Frau mit vielen Eigenschaften, temperamentvoll, herrisch, kategorisch, ichbezogen. Sie führte ein eisernes Regiment in ihrem großbürgerlichen Haushalt. Wie sie ihren bourgeoisen Lebensstil mit ihrer kommunistischen Agitation vereinbaren konnte, ist selbst ihren Kindern ein Rätsel.

„Meine Mutter sagt immer, sie könne ohne Dienstmädchen leben. Aber das stimmt überhaupt nicht. Wen würde sie sonst herumkommandieren? Sie liebt es, Leute zu kommandieren.“

Es ist eine sehr männliche Welt, in der Zora bestehen muss. En Ehemann, ein Schwiegervater, vier Brüder, drei Söhne. Ein Stück weit kann ich verstehen, dass Zora sich auf ihre Weise behaupten will.

„Wäre sie ein Mann gewesen, sie wäre Major geworden, eher noch Marschall, vielleicht sogar Staatspräsident.“

Zora del Buono (die Autorin) umreißt in ihrem biografischen Roman episodenhaft eine Zeitspanne von 1919 bis 1980, von der Ende des ersten Weltkrieges, den grausamen Nachwirkungen der Karfreitschlacht am Isonzo über den Aufstieg und Fall Mussolinis bis zum Tod des jugoslawischen Diktators Tito. Mehr als ein halbes Jahrhundert (süd)europäische Zeitgeschichte. Sämtliche Ereignisse sausen wie im Zeitraffer vorbei. Die letzten 30 Jahre werden in einem Prolog zusammengefasst. Obwohl die Geschichte linear erzählt wird bleiben oft jahrelange Lücken. Personen erscheinen aus dem Nirgendwo und gehen wieder ab. Das Namensverzeichnis am Anfang ist überlesensnotwendig, um dem Geflecht an Personal folgen zu können. So aber entsteht weder Sympathie oder gar eine Bindung zu der eigenwilligen Protagonistin.

Zora del Buono,  die Gute, die rote, die heilige Zora. Zora der Fels. Diese Frau ließ sich nicht greifen, die Geschichte konnte mich nicht ergreifen.