Rezension

Einsamer, vom Schicksal gezeichneter Junge und seine Entwicklung

Josses Tal -

Josses Tal
von Angelika Rehse

Bewertet mit 4.5 Sternen

Über die Autorin:

Angelika Rehse wurde in Sande / Kreis Friesland geboren und wohnt heute mit ihrer Familie in Bad Salzuflen. Sie wuchs in einem Umfeld von Heimatvertriebenen auf. Unter dem Eindruck der erzählten und verschwiegenen Geschichten der Generation ihrer Eltern, hat sie in einer späten Lebensphase mit »Josses Tal« einen poetisch kraftvollen und politisch hellsichtigen Roman geschrieben.

Kurzbeschreibung:

1930: Josef ist ein uneheliches Kind und eine Schande für seinen Großvater, der ihn seine Enttäuschung mit Schlägen täglich spüren lässt. Mit seiner Mutter im Haus der Großeltern erlebt Josef eine Kindheit, die geprägt ist von Angst und Schuld, fehlender Nähe und Geborgenheit. Als er seinen Nachbarn Wilhelm kennenlernt, erfährt er zum ersten Mal in seinem Leben Freundschaft und Zuneigung. Wilhelm beschützt und fördert Josef – und nutzt dessen Arglosigkeit aus, um für ihn, der Hitler treu ergeben ist, die Bewohner im Ort auszuspionieren. Stolz auf diese Aufgabe und seine neue Uniform wird er zu einem folgsamen Gehilfen, doch dann erfährt Josef etwas, das sein bisheriges Leben aus den Fugen geraten lässt …

Meine Gedanken zu dem Roman:

Zu dieser Geschichte möchte ich so wenig wie möglich von dem Inhalt berichten. Denn die Story ist schnell erzählt, und bietet nur einige wenige überraschende Momente für den Leser.

Es geht um einen kleinen Jungen Josef Tomulka, ein Kind ohne Vater, mit all der Bürde eines unehelichen Kindes in der damaligen Zeit. Beschrieben wird eine Zeitspanne von 13 Jahre, von dem 5. Lebensjahr des Jungen bis seinem 18. Der Roman spielt sich in den unruhigen, schlimmen Zeiten der Nationalsozialistischen Deutschland. Josef Tomulka ist ein unsicherer, verängstigter Junge, der nichts Nettes in seinem jungen Leben sieht. Sein Großvater sorgt dafür, dass seine Tochter, die Mutter des Jungen und Josef selbst sich nie wohlfühlen dürfen. Da kommt der junge Mann aus der Nachbarschaft, Wilhelm, mit seiner Fürsorge, Freundlichkeit und herzlichen Wärme für den Jungen gerade gelegen. Er und seine Familie sorgen dafür, dass das Kind zum ersten Mal sich geliebt und gewollt fühlt. Josef Tomulka verdankt dem Wilhelm viel. Gerne übernimmt der Kleine die Ideologie des Medizinstudenten und Parteiangehörigen Wilhelm. Diese Entwicklung und ihre Folgen macht das große Thema des Romans.

Sehr ruhig, bedacht und gut überlegt, berichtet die Autorin von dem Leben in dem Dorf und der Beziehungen, die für diese Geschichte von Belang sind. Vater und Tochter, Großvater und Enkel, ein kleiner Junge und sein Beschützer und Idol, Kinder und Lehrer, Parteimitglieder und Hitlerjugend. Man spürt die Liebe der Autorin zu ihren Figuren, die so gezeichnet sind, dass die für den Leser lebendig werden.

Die Sicht eines kleinen Jungen hat mir besonders gut gefallen. Mit viel Gefühl und Verständnis für ihre Protagonisten beschreibt die Frau Rehse die Menschen in ihrem Roman. Es ist ein Genus zu beobachten, wie wer sich im Laufe der Geschichte entwickelt. Sehr gut gefallen hat mir in diesem Fall die unaufgeregte Stimme der Autorin bei einem Thema, dass einen sehr aufwühlt.

Es ist erschreckend, wie leicht die Menschen manipulierbar sind, wie leicht man in die Klauen einer Politik gerät, die schädlich für die Menschheit ist. Der Autorin ist es hervorragend gelungen, die historischen Entwicklungen jener Zeit in einem Roman vorzustellen. Die Handlungen der Charaktere sind nachvollziehbar und wirken sehr realitätsnahe.

Da ich dieses Buch nicht nur gelesen, sondern abwechselnd auch gehört habe, möchte ich noch einiges zu dem Hörbuch sagen. Die Lesung dauert 10 Stunden, ist jedoch keine einzige Minute langweilig, auch wenn die Geschichte sehr ruhig erzählt wird. Gesprochen ist das Hörbuch von Brigitte Carlsen, die eine sehr angenehme und melodische Stimme hat. Ich finde, dass die Sprecherin ein besonderes Lob verdient. Dank ihrer Stimme wirkt die Geschichte noch eindringlicher und emotionaler. Mir hat der Roman sehr gut gefallen. Ich würde es uneingeschränkt weiterempfehlen, sowohl als Buch als auch als Hörbuch.

Von mir gibt es 4,5 Sterne.