Fulminantes Debüt, einfühlsam, berührend, beeindruckend
Bewertet mit 5 Sternen
Angelika Rehse legt mit „Josses Tal“ ihr Debüt vor. In ihrem Nachwort erklärt sie, was sie zu dieser Idee geführt hat.
1930 wird Josef, genannt Josse, als uneheliches Kind geboren. Sein Großvater kommt mit dieser „Schande“ nicht zurecht und lässt dies seinen Enkel täglich spüren. Erst als die Familie umzieht, lernt Josse Wilhelm kennen, der ihn schützt und fördert.
Wilhelm erkennt schnell, wie dankbar Josse für jede Art von Zuwendung ist, die ihm in seiner Familie völlig fremd ist, denn seine Mutter, die so fundamentale Entscheidungen getroffen hat, kann sich gegen ihren Vater nicht durchsetzen. Er hat in seiner Familie keinen Rückhalt. Leider erkennt Josse nicht und kann er auch nicht erkennen, dass es nicht nur reine Menschenliebe ist, die Wilhelm leitet. Geschickt manipuliert er den nach Anerkennung hungernden Jungen und benutzt ihn dazu, die Bewohner des Ortes auszuspionieren. Lange kann Josse dies nicht erkennen. Erst als er etwas erfährt, dass sein ganzes Leben auf den Kopf stellt, wird er nachdenklich. Alles spitzt sich zu, als er erfährt, dass Wilhelm sein Geheimnis bereits kennt.
Angelika Rehse schafft es, ihre Leser sofort in ihren Sog zu ziehen. Als (Enkel-)Kind von Vertriebenen habe ich mich mit dem Zweiten Weltkrieg und der Frage, wie es dazu kommen konnte, beschäftigt und tue es noch. Ich kann mich nicht erinnern, jemals eine so eindrückliche Schilderung der Bücherverbrennung gelesen zu haben, eine Schilderung, die bei Josse eine große Wirkung erzielt, die Wilhelm in die Hände spielt. Insbesondere Josses Entwicklung ist sehr gut nachvollziehbar, es wird sehr deutlich, wohin fehlende Liebe und Anerkennung bei Kindern führen können.
Auch die Beschreibungen der Geschehnisse im Ort sind gut beschrieben, mir hat gefallen, dass die Bewohner nicht blind den Anordnungen aus Berlin Folge leisteten und die Denunziationen teilweise auf eine ganz besondere Art und Weise gelöst werden können.
Das Cover passt perfekt zum Titel und zum Inhalt.
Fazit: ein wichtiges Buch, dem ich viele Leser wünsche