Rezension

Erntedank // Volker Klüpfel & Michael Kobr

Erntedank - Volker Klüpfel, Michael Kobr

Erntedank
von Volker Klüpfel Michael Kobr

Bewertet mit 4 Sternen

Der Auftaktband der Kluftinger-Reihe, der da heißt Milchgeld, war noch ein wenig lasch. Daher war die Hoffnung wirklich groß, dass der zweite Teil nur besser werden kann. Irgendwie fehlte dem ersten Teil nämlich noch der Pfiff und das Einzigartige. Mit Erntedank beweist das Autoren-Duo, dass sie allerdings wirklich was auf dem Kasten haben, wenn sie denn wollen.

Im Kempter Wald wird eine männliche Leiche gefunden. Das wäre ja schon ungewöhnlich genug, doch es wird richtig skurril. Auf der Brust des Mannes ist eine tote Krähe ausgebreitet, mit der wohl dem Opfer auch die Augen ausgehackt wurden. So nach dem Motto: „da hackt die eine Krähe der anderen kein Auge aus“. Doch bei dem einen toten Mann bleibt es nicht. Bald wird eine weitere Leiche gefunden, ebenfalls unter ganz mysteriösen Umständen. Da muss der Kluftinger schon einmal ordentlich ermitteln.

Nach ein wenig Recherchearbeit fällt auf, dass die Opfer, die auf den ersten Blick so unterschiedlich erscheinen, sich gar nicht so unähnlich sind, wie man denken mag. Doch trotzdem ist das große Rätsel zum einen, wie der Mörder sich seine Opfer aussucht und wie er auf die Verbindungen gekommen ist. Die dem Buch zugrunde gelegte Idee hat mir daher um einiges besser gefallen als noch der Vorgänger.

Es dauert ein wenig, doch dann entdecken Kluftinger und seine Kollegen, dass jedem Mordfall eine alte örtliche Sage zugrunde liegt. In dieser Sage werden zumeist Menschen bestraft, die sich in irgendeiner Weise etwas zu Schulde kommen ließen. Und mit ein wenig Interpretationskraft lassen sich die Mordfälle damit ganz gut in Einklang bringen. Sowas ist doch immer ganz nett. Eine wirklich tiefgründige Geschichte macht doch mehr Spaß als der tausendste Serienmörder, der aus reiner Selbstüberschätzung und Blutgier tötet.

Das bemängelte Fehlen des Allgäu-Touch aus dem ersten Band zieht sich allerdings doch noch ein wenig auch durch Teil 2. Kluftinger hätte diesen Fall wahrscheinlich auch wunderbar in der französischen Provenz oder am norddeutschen Wattmeer lösen können. Aber ich hab im Sinne einer vollständigen Rezension natürlich auch mal ins Hörbuch reingeschnuppert. Und was soll ich sagen? Da war es: Lokalkolorit und Dialekt. Sowas ist schriftlich wahrscheinlich einfach nicht so gut umsetzbar.

Für mich als Urschwaben tat allerdings der Dialekt die ersten paar Minuten in den Ohren weh. Es klang etwas sehr gewollt. Sehr gut gefallen hat mir allerdings, dass die Autoren selbst sich die Ehre gegeben haben. Das ist doch mal etwas anderes und zeigt einem doch, wie sehr das Duo hinter ihrem Ermittler und seinen Geschichten steht. Nachdem man sich an den Erzählstil gewöhnt hat, kam man aber ganz gut in die Erzählung rein.

Ebenfalls gewöhnungsbedürftig ist allerdings der ständige Wechsel zwischen Volker Klüpfel und Michael Kobr. Der eine spricht den Kommissar und alles drum herum. Der andere übernimmt sämtliche anderen Rollen. Bei einem wechselhaften Dialog kann einen das als Hörer schon etwas durcheinanderbringen, zumal es auch sehr anstrengend sein konnte. Daher war die Erzählung ein ewiges Auf und Ab.

Erntedank schlägt seinen Vorgänger um Längen. Mit dem zweiten Teil der Serie warten die Autoren mit einer gut durchdachten Story auf, die sich kontinuierlich aufbaut. Die Mordfälle in Verbindung mit den örtlichen Sagen machen eine spannende Geschichte, die den Leser gut unterhalten kann. Auch das Hörbuch ist einen „Blick“ wert. Wenn man sich erst einmal mit der einzigartigen Erzählweise angefreundet hat, kann man auch hier viel Spaß haben. Damit ist die Hoffnung für diese Buchreihe wieder aufgekeimt.

 

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