Rezension

Etwas an Potenzial verschenkt

Das geträumte Land - Imbolo Mbue

Das geträumte Land
von Imbolo Mbue

Bewertet mit 3 Sternen

~~Das Thema an sich finde ich sehr, sehr spannend: eine kleine Migrantenfamilie aus Kamerun versucht in den USA, noch dazu im melting pot New York, ihr Glück und will den amerikanischen Traum leben. Für Jende und Neni, beide etwa Mitte dreißig, bedeutet es alles, endlich in Amerika angekommen zu sein und ein neues, selbstbestimmtes Leben führen zu können, vor allem mit Hoffnung auf etwas Wohlstand.

Mbue gelingt es ganz hervorragend zu Beginn, die beiden Figuren zu zeichnen, mit ihren Hoffnungen, Erwartungen, Wünschen, ihrem Ehrgeiz, aber gleichzeitig auch ihrer Angst vor dem Scheitern und der Ausweisung. Denn Jende hat sich mehr oder weniger ein Visum erschlichen und muss sich einer Anhörung vor der US-Einwanderungsbehörde stellen. Neni, seine Frau, hat lediglich ein Studienstipendium, weil sie Apothekerin werden möchte (was mir übrigens nicht ganz einleuchten will, sie hat gar keinen Schulabschluss). Als Jende dann durch Fürsprache einen Job als Chauffeur bei einem stinkreichen Protz erhält, scheinen erst einmal alle Träume der kleinen Familie wahr zu werden.

Dieses Einwandererdrama weiß am Anfang zu überzeugen und zu berühren. Ein Mann, der sich nichts sehnlicher erträumt, in Amerika Fuß zu fassen und ein anständiges Leben zu leben. Dabei wird aber schnell klar, dass seine Vorstellungen - und auch die seiner Frau - vom gelobten Land ziemlich klischeebeladen sind. Auch der Kontrast, den die Autorin zwischen Familie Jende und den reichen Edwards, Jendes Arbeitgebern, aufbaut, gerät bald allzu bemüht. Was möchte sie damit aufzeigen? Dass die Reichen es leider auch nicht leicht haben, sogar oftmals ziemlich unglücklich sind? Hier zieht Mbue leider ziemlich viele Klischeeregister: kaputte Ehe, drogensüchtige Frau, stets abwesender Vater, ein Sohn, der den Materialismus hinter sich lässt und nach Indien zur Selbstfindung zieht. Definitiv too much. Leider bleibt auch die Lehman Brothers-Krise, die die Autorin miteinbezieht, blass im Hintergrund. Hier wird deutlich an Potenzial verschenkt, denn - nu kurz - wird angedeutet, dass die Wirtschaftskrise auch die Migranten in hohem Maße betrifft.

Da es ihr Debüt ist, mag man es der Autorin verzeihen, doch viele der Dialoge sind zu lang und haben kaum einen Mehrwert. Die Leute unterhalten sich einfach. Auch die Charaktere schwächeln mit der Zeit. So habe ich Jende und Neni anfangs als sich sehr nahestehendes Paar erlebt, die gemeinsame Entscheidungen treffen und an einem Strang ziehen. Dies ändert sich, vor allem Jende macht eine 180° Wende, die ich so überhaupt nicht nachvollziehen konnte.

Insgesamt mochte ich die Geschichte an sich ziemlich gerne, doch Defizite im storytelling, bei den Charakteren, den Dialogen und das Aufeinanderhäufen von Klischees waren dann doch zu viel.

3 von 5 Sternen