Rezension

Für geduldige LeserInnen

Skandal & Vorurteil -

Skandal & Vorurteil
von Amanda Quain

Inhalt:

Nur ihrem Bruder Fitz und dem Renommee ihrer Familie hatte es Georgiana Darcy zu verdanken, dass sie, nachdem sie und ihr Freund Wickham mit einigen Tütchen Adderall im Schlafsaal erwischt wurden, nicht von der Schule flog. Seit diesem skandalösen Vorfall auf der Pemperley Academy hatte sich jedoch für die Tochter reicher Eltern, die sich bislang alles mit Geld erkaufen konnte, einiges geändert. Die Mitschüler verurteilen sie dafür, dass der Klassenliebling für diese Tat der Schule verwiesen wurde, Georgie selbst ihr Leben aber so weiterleben konnte wie bevor.

Doch stimmt das wirklich?! Eher nicht. Georgie ist fortan noch mehr eine Außenseiterin in ihrem Umfeld.

Georgies Vater war früh verstorben, die Mutter hatte die Kinder dem Hauspersonal überlassen. So musste Fitz, Georgies Bruder, der das Sorgerecht für seine Schwester bekam, schon früh die Verantwortung für alltägliche Dinge übernehmen. Fitz schien mit seinem neuen Leben nicht mehr zufrieden und Georgie musste tagtäglich Vorwürfe und Predigten über sich ergehen lassen.

Als Wickham eines Tages wieder in der Stadt auftaucht, kann Georgie nicht widerstehen. Sie muss den Jungen, in den sie bereits seit Kindheitstagen verliebt war, wiedertreffen. Wickham hat sich seit dem Drogenskandal kein bisschen verändert. Er möchte bestimmen, in welche Richtung Georgie sich entwickelt, er möchte sie erneut für dubiose Geschäfte einspannen und er wirft ihr erneut vor, dass sie nur mit ihm an seiner Seite an der Schule wieder Fußfassen könne und von den anderen Schülern respektiert werden würde.

Georgie fasst in diesem Moment des Wiedersehens einen Plan: Sie möchte Wickham, ihrem Bruder und sich beweisen, dass sie in der Lage ist, die perfekte Darcy zu sein, die alle respektieren. Sollte ihr das gelingen, so äußert sie ihr Vorhaben gegenüber Wickham, möge dieser sie endgültig in Ruhe lassen und verschwinden.

Doch Wickham ist mit diesem Deal noch nicht ganz einverstanden. Fitz, soll zudem zugeben, dass seine Schwester auch für ihn die perfekte Darcy sei. Würde Georgie der Plan nicht gelingen, so müsse sie sich ihm entweder wieder unterordnen und ihn bei seinem neuen kriminellen Vorhaben unterstützen oder er würde Fitz von ihrem Treffen berichten und ihm zugleich weismachen, dass all das, was vorgefallen ist, alleine Georgie zuzuschreiben gewesen sei. Georgie würde also die letzte Person in ihrem Leben verlieren, die sich noch für sie interessiert.

 

Meinung:

Stolz & Vorurteil habe ich vor Jahren gelesen und geliebt. Als ich also davon hörte, dass es eine Neuerzählung zum Klassiker geben würde, war ich Feuer und Flamme und wollte dieses Buch unbedingt lesen.

Der Einstieg in das Buch gelingt aber nur peu à peu.

Amanda Quain berichtet aus dem Leben ihrer Protagonistin Georgie, die nach einem Drogenskandal an der Schule jegliche Freunde verloren hat. Georgies einziger enger Kontakt besteht aktuell noch zu ihrem Bruder, Fitz, der jedoch sehr frustriert daherkommt. Verständlich, musste er doch für seine Schwester all seine eigenen Zukunftspläne aufgeben. Um in Georgies Nähe zu sein, ist Fitz auf eine neue Schule gewechselt. Dadurch, dass er durch den Weggang der Mutter die Verantwortung für die Schwester übertragen bekommen hat und diese vor Kurzem noch Teil eines Schuldesasters wurde, hat er allerhand zu tun, um die Wogen zu glätten. Zugleich versucht er für einen guten Ruf der Familie zu sorgen.
Die Überforderung des Jungen schlägt sich in Frust nieder, der sich permanent auf sein Verhalten auswirkt.

Immer wieder tappt Georgie in Fettnäpfchen. Ihr Handlungen sind nicht immer gut durchdacht. Ihre Pläne sind risikoreich. So trifft sich die Protagonistin, sobald sie davon hört, dass ihre ehemals große Liebe Wickham wieder in der Stadt ist, trotz aller negativen Erfahrungen wieder mit ihm. Wickham hat, so erfährt man über die Seiten hinweg, schon zu Beziehungszeiten Georgia stets klein gehalten. Er hat über ihr gesamtes Leben bestimmt. Dass Georgia von anderen respektiert und gesehen wurde, lag lediglich daran, dass sie die Freundin von Wickham war, das hält dieser ihr auch konsequent immer wieder vor.

Zwar weiß Georgia, dass Wickham für ihr seelisches Wohlbefinden nicht zuträglich ist. Dennoch öffnet sie immer wieder seine E-Mails und trifft sich mit ihm. Immer wieder wird sie enttäuscht, denn Wickham hat zwar seinen ganz eigenen Charme, ist aber stets manipulativ und zielt auf ihre Beeinflussung.

Anfangs machten es mir die Figuren in diesem Buch nicht einfach. Ich fand zu keinem Charakter einen wirklichen Zugang. Zwar hätte ich mit Georgie gerne Mitleid gehabt, doch ist sie stellenweise sehr naiv. Schwer, weil anstrengend, ist es daher für den Leser, jedem Gedankengang folgen zu wollen.

Einzig sympathisch war mir in der ersten Hälfte des Buches Avery, der Junge, der stets ein guter Freund für Georgie war, den diese aber nur kaum wahrgenommen hatte und der nun, nach dem Skandal, ohne große Worte wieder an ihrer Seite auftaucht. Avery hinterfragt nicht. Er ist für Georgie da. Er macht sogar bei ihren verrückten Plänen mit. Er regt sich nicht auf, wenn etwas schief läuft. Stattdessen trägt er immer ein freundliches Lächeln auf den Lippen.

Nach und nach gelang es mir, mich in die Figuren hineinzufühlen. Georgie setzt aber in der zweiten Hälfte des Werks ihre Prioritäten neu.

Ihr gelingt es, alte Gefühle zu überdenken und neue Menschen in ihr Leben zu lassen. Aber auch Fitz streift negative Verhaltensmuster ab und taut allmählich auf. Wickham tritt in den Hintergrund und Avery gewinnt an Kontur. Ein Fortgang der Geschichte, den ich sehr willkommen geheißen habe.

 

Fazit:

Amanda Quain braucht eine Weile um ihre Geschichte aufzubauen. Ein langer Rückblick, wenige Dialoge und Charaktere, die anfangs kaum Identifikationspotential besitzen. Quain erzählt manchmal sperrig, immer aber geduldig - allerdings auf Kosten von Konsumierbarkeit und Konsensstiftung.

Die zweite Hälfte ist deutlich besser. Charakterentwicklung und Handlungsführung sind hier gelungen. Die Figuren gewinnen an Konturen, überdenken ihre Verhaltensmuster und zeigen somit eine interessante Entwicklung.

Auch wenn das Buch nicht immer nah am ursprünglichen Handlungsverlauf bleibt, ist es dennoch eine Ode an das Meisterwerk Stolz & Vorurteil.