Rezension

Gelungener Einstieg in eine komplexe Lebensgeschichte

Die drei Leben der Hannah Arendt - Ken Krimstein

Die drei Leben der Hannah Arendt
von Ken Krimstein

„Die traurige Wahrheit ist, dass das wirklich Böse von Menschen verbrochen wird, die sich nie für das Gute oder Böse entschieden haben.“ – Seite 224

Hannah Arendt passt in keine Schublade. Sie ist ein Freigeist im wörtlichen Sinne; eine besondere Frau mit einem außergewöhnlichen Werdegang. Diesen erzählt der Autor Ken Krimstein in dieser „Graphic Biography“, einer Graphic Novel, die das Leben und Wirken Hannah Arendts mit dynamisch und lebendig gestalteten Bildern für jedermann zugänglich macht. Wir lernen die kleine Hannah im zarten Alter von fünf Jahren kennen und begleiten ein stets neugieriges Mädchen auf seiner Reise durch die immer gefährlicher werdende Welt der 1930er Jahre. Wir erleben, wie aus diesem wissbegierigen jüdischen Kind eine emanzipierte Frau wird, die sich mit beeindruckender Resilienz von sämtlichen Erschütterungen des zweiten Weltkrieges nicht unterkriegen lässt. Hannah gibt ihre große Frage nach dem „Warum?“ niemals auf und kämpft sich nach jeder neuen Flucht zurück an die Spitze der intellektuellen Eliten.

Dem Autor Ken Krimstein war es bei der Arbeit an den „Drei Leben der Hannah Arendt“ stets wichtig, Worte und Bilder gemeinsam so wirken zu lassen, dass komplexe Sachverhalte – wie eben die Philosophie Hannah Arendts – für jedermann zugänglich werden (vgl. dazu das Nachwort). Dies ist ihm meines Erachtens vollends gelungen! Diese Graphic Novel ist ein kleiner „Trailer“ zur Person Hannah Arendts, um nicht zu sagen: Die perfekte „Einstiegsdroge“, für alle, die sich für Geschichte, starke Frauen und Philosophie interessieren. Man benötigt keine vertieften Kenntnisse über Hannah Arendt, um der Handlung und den Gedanken folgen zu können. Ich selbst hatte zuvor nur den Wikipedia-Artikel über sie gelesen und kam problemlos mit. Mein Interesse für diese herausragende Persönlichkeit ist nun vollkommen entfacht und ich werde definitiv eine vertiefende Biografie über Hannah Arendt lesen.

Allerdings muss ich auch klar sagen, dass ich zunächst ein wenig enttäuscht war von der vermeintlichen Oberflächlichkeit der Darstellung. Man darf von einer Graphic Biography aber nicht erwarten, dass sie vertieft auf die jeweiligen Geschehnisse eingeht. Viele Fragen bleiben offen und viele Themen hätte ich gern vertieft. Daher blieb ich zu Beginn etwas frustriert zurück. Diese Graphic Novel ist eben nur ein kurzer Abriss und das soll sie auch sein. Leider erfährt man erst im Nachwort des Autors, welche Ziele er eigentlich mit seinem Projekt verfolgte und welchen Anspruch er an dieses hatte. Ihm ist es eine Herzensangelegenheit, Hannah Arendts Leben und ihre „Theorien“ niedrigschwellig zu vermitteln. Er will Interessierten die Hand reichen und Interesse wecken. Dies ist ihm gelungen! Mehr darf man sich aber auch nicht erhoffen. Hier wäre es günstig gewesen, die Motivationslage des Autors an den Anfang des Buches zu stellen, um eine realistische Erwartungshaltung der Leserinnen und Leser zu ermöglichen.

Ken Krimstein schreibt abschließend über seine Arbeit an diesem Buch, dass Hannah Arendt für ihn wie ein „Leuchtfeuer“ wurde, eine „Herausforderung und Vergnügen zugleich“. Diese Begeisterung und die Leidenschaft des Autors sind mehr als spürbar und sie sind vor allem eines: Ansteckend.

Daher empfehle ich diese schöne Graphic Biography gern weiter und möchte mit einem Zitat von Hannah Arendt schließen, das ich persönlich aus der Lektüre ganz besonders mitgenommen habe:

„Es gibt keine gefährlichen Gedanken; das Denken selbst ist gefährlich.“ – Seite 215