Rezension

Hauptsache, man kommt ins Handeln

No und ich - Delphine de Vigan

No und ich
von Delphine de Vigan

Über das Thema „Hochbegabung“ haben die meisten Menschen schon mal irgendetwas gehört. Aber was das konkret für den Einzelnen bedeutet, wissen die wenigsten. Genie ist oft ein Klischee, das man mit Hochbegabten verbindet und von dem man ausgeht, dass solche Menschen wunderbar spielerisch durchs Leben tänzeln. Das kommt vor, muss aber so nicht sein.

INHALT:

Lou ist dreizehn und hat einen IQ von 160. Sie ist hochbegabt. Bereits zwei Schulklassen hat sie übersprungen und ist immer noch die Klassenbeste. Allerdings auch die Jüngste und Kleinste, von einem ihrer Klassenkameraden liebevoll „Krümel“ genannt. Einfach hat sie es nicht, weder in der Schule noch zu Hause. Als sie für ein Referat eine obdachlose junge Frau interviewt, beginnen sich die Dinge zu verselbständigen ...

MEINUNG:

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 13-jährige Lou. Sie ist wirklich sehr speziell, und ich habe es genossen, ihre Besonderheiten ausführlich kennenzulernen. Wie sie sich gedanklich zügelt, um ihren Emotionen Herr zu werden! Und ihre Art, die Dinge anzugehen und zu durchdenken, fand ich wirklich sehr spannend. Dem Leser sollte allerdings klar sein, dass Lou nur eine einzige von vielen möglichen Fassetten darstellt, wie Hochbegabte ticken und sich verhalten. Unter ihnen gibt es genauso viele verschiedene Varianten wie unter allen „normalen“ Menschen mit einem IQ von unter 130.

Aber das Thema Hochbegabung ist nur ein Aspekt des Buches, der der Geschichte vielleicht die Würze gibt, sie aber nicht ausmacht. Die eigentliche Handlung dreht sich um ein Mädchen, das die Welt retten will. Die Welt in Gestalt einer obdachlosen jungen Frau. Was sie dafür alles anstellt und in die Wege leitet, ist wirklich sehr berührend. Und im Nebeneffekt heilt sie auch noch ihre Eltern, wird von ihren Mitschülern angenommen und kommt mit sich selbst ein winziges bisschen besser klar.

Insgesamt hat das Buch eine durchweg positive Botschaft. Egal, wie die Situation aussieht, sie ist es wert, sich zu engagieren und etwas zum Guten zu verändern. Ob man das tatsächlich erreicht, ist dabei nicht ganz so wichtig. Hauptsache, man kommt ins Handeln.

WERTUNG:

Ich habe einen kleinen Moment gebraucht, um mit dem Buch warm zu werden. Sobald ich mich auf Lou und ihre Welt eingelassen hatte, konnte ich die Geschichte nicht mehr weglegen, zu faszinierend sind die Figuren, die Story und die stille Dramaturgie. Das Buch ist wirklich eine Empfehlung wert und erhält von mir mein persönliches „Sehr gut“ und fünf von fünf Wertungspunkten.

Mein Fazit: Sensibles Porträt eines besonderen Mädchens. Sehr empfehlenswert.