Rezension

Heimkehr in die Elbmarsch

Die Rückkehr der Kraniche -

Die Rückkehr der Kraniche
von Romy Fölck

Bewertet mit 4 Sternen

"Die Rückkehr der Kraniche" von Romy Fölck erscheint bei Rowohlt Wunderlich. Der alte Hof in der Elbmarsch ist die Heimat von Wilhelmine Hansen. Dort lebt auch ihre Tochter Grete, die als Vogelwartin arbeitet und sich um Haushalt und Garten kümmert. Dabei hatte sie früher ganz andere Pläne, aber als sie mit ihrer Tochter Anne schwanger wurde, verwarf sie den Wunsch nach einem Studium und blieb in ihrer Heimat. Als sie endlich eine Chance bekommt, ihr eigenes Leben zu leben, erkrankt Wilhemine. Daraufhin reisen Tochter Freya, die vor Jahren nach Berlin gezogen ist, und Enkelin Anne an. Zwischen den Frauen gibt es ein distanziertes Verhältnis, jede hat etwas zu verbergen und Geheimnisse, Vorwürfe und verletzte Gefühle halten sie alle auf Abstand. Wilhelmine ist selbst eine schroffe und schweigsame Frau, doch sie möchte, dass sich ihre Töchter wieder vertragen. Werden sich die Frauen wieder näher kommen?

Romy Fölck erzählt auf sehr ruhige und bildhafte Weise in leisen Tönen, wie sich die vier Frauen der Familie begegnen. Der Erzählstil passt wunderbar zum beschaulichen Leben in der Elbmarsch. Die bildgewaltigen, wunderschönen Naturbeschreibungen spiegeln auf atmosphärische Weise die Vegetation und Tierwelt der Gegend wider und stehen im friedlichen Gegensatz zum Beziehungszwist der Hansens.  

Nach dem Tod ihres Mannes musste Wilhemine hart arbeitern, um sich und ihren beiden Kindern ein Auskommen zu sichern. Im Dorf wurden Grete und Freya als Lumpenschwestern beschimpft. Freya zog nach dem Abitur nach Berlin, machte Karriere als CEO, aber Grete wurde schwanger und blieb mit ihrer Tochter im Ort zurück. Sie hat ihrer Tochter nie den Namen des Vaters verraten und findet ihren inneren Seelenfrieden in der Natur der Elbmarsch. Anne studiert in Bremen. Für Freya erfolgt die Rückkehr genau zum richtigen Zeitpunkt, denn sie hat eine Trennung hinter sich und ihr Job ist gekündigt.

Durch die wechselnden Erzählperspektiven nimmt man teil an den Gedanken und Gefühlen der vier Frauen und lernt sie näher kennen. Jede von ihnen hütet ihr eigenes Geheimnis und jede hat ihre genaue Vorstellung über ihre Zukunft und über einen engeren Zusammenhalt in der Familie. Doch ihr häufiges Schweigen, ihr eingefahrenes Verhalten untereinander und ihre alten Differenzen stehen ihnen im Weg. Alle Frauen scheinen die direkte Aussprache vermeiden zu wollen und so dauert es ziemlich lange, bis alle Dinge offen auf den Tisch gelegt werden.  

Es gefällt mir, wie Romy Fölck die Charaktere gezeichnet hat, dennoch wollte bei mir keine große Sympathie für die Figuren aufkommen. Die melancholische Stimmung unter den Frauen wurde glücklicherweise nicht bedrückend, denn die schönen Alltagsszenen haben sie etwas abgemildert. Genre bin ich gemeinsam mit Grete in die Vogelwelt abgetaucht und habe die Infos über die Vogelwelt und die Imkerei genossen. Dort konnte ich nachempfinden, wie sie sich in der Natur frei von den familiären Nöten und Zwängen fühlt. Am Ende haben die Frauen sich dann doch angenähert und gemerkt, dass ihre Gemeinsamkeit sie stark macht und sie sich aufeinander verlassen können.

Bei diesem Roman haben mich vor allem der ruhige Erzählstil, die schönen Momente trotz des problembehafteten Miteinanders der Frauen und die stimmungsvollen Naturbeschreibungen gefesselt. Bis zum Ende habe ich auch einen guten Ausgang der Geschichte gehofft.

 
"Die Rückkehr der Kraniche" ist ein ruhig erzählter, bewegender und etwas melancholischer Familienroman, der unterschiedliche Denkweisen und Lebensmodelle von vier Frauen beschreibt und den Bezug zur Natur und dem Landleben aufzeigt. Die Einblicke in die Natur der Elbmarsch wirken als friedlicher Gegenpol zum Familienzwist sehr wohltuend.

Für Fans von "Altes Land" und alle, die Familiengeschichte mit starken Figuren mögen oder sich für die Vogelwelt interessieren.