Rezension

Hellseherei - ein Fake?

Nebel über der Uckermark -

Nebel über der Uckermark
von Richard Brandes

Bewertet mit 5 Sternen

Ausgesprochen spannend, vom Anfang bis Ende, mit einem interessanten, kontroversen Kernthema: der Hellseherei

„Nebel über der Uckermark“ von Richard Brandes ist ein extrem spannender Kriminalroman, ein richtiger Pageturner, und er entführt in einen Landstrich, der wohl nicht vielen vertraut ist.

Klappentext:
Kriminalhauptkommissarin Carla Stach wird mit einem ungewöhnlichen Fall konfrontiert: Eine Hellseherin behauptet, einen Mord vorhergesehen zu haben. Kurz darauf wird eine junge Frau als vermisst gemeldet, und ihr Aussehen gleicht exakt dem des Mordopfers, das die Hellseherin beschrieben hat. Carla ist skeptisch, denn sie glaubt nicht an derlei Hokuspokus – und doch wird sie unruhig. Schließlich wurde ihr auch prophezeit, dass sie selbst in Gefahr geraten wird ...

Das Cover passt ausgezeichnet zum Titel und unterstreicht die Stimmung, das Unheimliche, das Nebulöse, einerseits im einsamen, unendlich scheinenden Wald, andererseits symbolisch auch im Hinblick auf das Diffuse von seherischen Fähigkeiten. Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel sind kurz gehalten, ohne Orts- und Zeitangaben. Das Buch erschien 2023. Die Handlung spielt in der Gegenwart.

Dies ist bereits der dritte Band der Reihe mit Kriminalhauptkommissarin Carla Stach und ihrem Team. Ich kannte bereits den Vorgängerband, mir waren somit die Protagonisten und ihre Beziehungen zueinander vertraut. Dennoch denke ich, dass auch Neueinsteiger nicht nur problemlos in den für sich stehenden Fall hineinkommen, sondern auch den relevanten Personenkreis rasch überblicken.

Nach dem Prolog, der schon einen Hauch von Übersinnlichem vermittelt, ist man bereits mitten in Szenerien, die Gänsehautfeeling erzeugen: da irrt eine Frau ziellos durch den Wald und ein Ehepaar wird brutal ermordet; wie sich herausstellt, sind sie weitere Opfer eines Serienmörders. In der Folge entwickeln sich zwei Handlungsstränge. Einerseits ermittelt Carlas Kollege Maik undercover in einer rechtsradikalen Klimawandelverschwörungs-Gruppe, da man in diesem Kreis den Serienmörder vermutet, andererseits beginnen Carla und ihre Kollegin Julia aufgrund eines Hinweises einer Hellseherin, in einem Vermisstenfall zu recherchieren. Durch die stetigen Perspektiven- bzw. Ortswechsel, etliche brenzlige Situationen, in die die Protagonisten geraten, die Kürze der Kapitel, die noch dazu meist mit einem Cliffhanger enden, wird das Spannungsniveau derart hoch gehalten, dass man das Buch kaum noch aus der Hand legen möchte. Zudem erlebt an ein wahres Wechselbad der Gefühle: man bangt um den in die Verbrecherbande eingeschleusten Polizisten, ängstigt sich mit dem flüchtenden Opfer vor dem Killer und hofft doch, dass es überlebt. Zudem macht man sich Gedanken, inwieweit diese hellseherischen Vorhersagen stimmen oder reine Erfindung sind, natürlich auch, wie die beiden Fälle zusammenhängen. Es mangelt weder an Verdächtigen noch an in die Irre führenden Spuren. Man tappt bis zuletzt in Dunkeln, wer der geheimnisvolle Mörder ist. Letztlich fügen sich, was die Morde anbelangt, alle Fäden schlüssig zusammen. Was die Hellseherin nun tatsächlich „vorhergesehen“ bzw. „gespürt“ hatte und wo sie Informationen hatte und geschwindelt hat, blieb teilweise vage.

Sehr ausgewogen ist mit den Ereignissen rund um die Kriminalfälle auch das Privatleben des Ermittlerteams eingearbeitet. Die primär sympathischen Protagonisten werden sehr anschaulich, sehr lebendig charakterisiert, zeigen Gefühle, Stärken und Schwächen, auch Ängste. Sie wirken realistisch, wie z.B. Carla, etwas übergewichtig und dem Pensionsalter nicht mehr so fern, die manchmal an ihre körperlichen Grenzen stößt, ihre mangelnde Fitness spürt. Die farbige Julia wird immer wieder mit Diskriminierung und Vorurteilen konfrontiert, meistert diese Aversionen in der Regel sehr professionell und cool. Auf Esoterik und Übersinnlichem reagieren die einen mit mehr, die anderen mit weniger Skepsis. Maik ist charakterlich nicht optimal für den Undercover-Einsatz geeignet, er verfügt nicht über die nötige psychische Stärke. Auch Nebenfiguren sind gut vorstellbar beschrieben, entsprechen positiverweise auch nicht immer Klischees. So ist einer der Kriminellen mit sympathischen Zügen behaftet, ein im Herzen Guter, schwach, leicht manipulierbar und beeinflussbar, der in schlechte Gesellschaft geriet. Sehr liebenswert sind auch die Tiere, der Dackel Bruno und die Katze Glöckchen, deren tagelanges Verschwinden auch den Leser beunruhigt.

Mich beeindruckte die Vielschichtigkeit des Romans. Ein packender Plot, fundierte psychologische Kenntnisse, die Thematik Hellsehen, wobei die Widersprüchlichkeit zwischen rein wissenschaftlicher Sichtweise und dem Vorhandensein von Esoterik gut herausgearbeitet ist. Auch das Thema der Verschwörungstheorien, hier im Zusammenhang mit dem Klimawandel, verbunden mit Rechtsbürgern wird gestreift. Last but not least wird auch Rassismus angesprochen.

„Nebel über der Uckermark“ - diesen Krimi empfehle ich wärmstens, und nicht nur diesen Band, sondern die gesamte Reihe.